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Full text of "Fräulein Julie Naturalistisches Trauerspiel"

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The Project Gutenberg EBook of Fräulein Julie, by August Strindberg

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almost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away or
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Title: Fräulein Julie
       Naturalistisches Trauerspiel

Author: August Strindberg

Translator: Ernst Brausewetter

Release Date: August 4, 2007 [EBook #22235]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRÄULEIN JULIE ***




Produced by Louise Hope, Norbert H. Langkau and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net









Fräulein Julie


  Naturalistisches Trauerspiel
  von
  August Strindberg

  Aus dem Schwedischen
  von
  E. Brausewetter


Autorisierte deutsche Ausgabe




  Leipzig
  Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.




_Alle Rechte vorbehalten._

Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt.

Das Aufführungsrecht ist von der Firma _Kühling & Güttner_ Berlin W. 56,
Markgrafenstraße 53, zu erwerben.

Von Strindberg erschien in der Universal-Bibliothek:

  Nr. 2489. Der Vater. Trauerspiel in drei Aufzügen.
  Nr. 4103. Gläubiger. Tragikomödie in einem Aufzug.
  Nr. 5126. Kameraden. Komödie in zwei Aufzügen.
  Nr. 5514. Meister Olaf. Schauspiel in fünf Aufzügen.




Vorwort.


Das Theater ist mir schon lange, gleichwie die Kunst überhaupt, wie eine
"Biblia pauperum" erschienen, eine Bibel in Bildern für diejenigen,
welche nicht Gedrucktes oder Geschriebenes lesen können, und der
Theaterschriftsteller wie ein Laienpriester, welcher die Gedanken der
Zeit in populärer Form kolportiert, so populär, daß die Mittelklasse,
welche hauptsächlich das Theater füllt, ohne viel Kopfzerbrechen fassen
kann, worum es sich handelt. Das Theater ist daher immer eine
Volksschule für die Jugend, die Halbgebildeten und die Frauen gewesen,
welche noch das Vermögen zurückbehalten haben, sich selbst zu täuschen
und sich täuschen lassen, das heißt die Illusion zu bekommen, vom
Verfasser die Suggestion zu empfangen. Es ist mir daher in unserer Zeit,
da das rudimentäre, unvollständige Denken, welches sich durch die
Phantasie vollzieht, sich zur Reflexion, zur Untersuchung und Prüfung zu
entwickeln scheint, so vorgekommen, als wenn das Theater, gleichwie die
Religion, auf dem Wege wäre, sich gleich einer aussterbenden Form
hinzubetten, zu deren Genuß uns die erforderlichen Voraussetzungen
fehlen. Für diese Annahme spricht die durchgehende Theaterkrisis, welche
jetzt in ganz Europa herrscht, und nicht zum wenigsten der Umstand, daß
in den Kulturländern, welche die größten Denker der Gegenwart
hervorbringen, nämlich England und Deutschland, die Dramatik tot ist,
gleichwie größtenteils die andern schönen Künste.

In andern Ländern wieder hat man geglaubt sich ein neues Drama schaffen
zu können, indem man die alten Formen mit dem Gehalt der neueren Zeit
erfüllte; aber teils haben die neuen Gedanken noch nicht Zeit gehabt,
populär zu werden, sodaß das Publikum den Verstand besäße zu erfassen,
worum es sich handelt, teils haben Parteistreitigkeiten die Gemüter
erregt, sodaß ein rein objektiver Genuß nicht hat eintreten können,
da man sich hier in seinem Innersten widersprochen sah und dort eine
applaudierende oder zischende Majorität ihren Druck so öffentlich
ausübte, als es in einem Theatersaal möglich ist, teils hat man nicht
die neue Form für den neuen Gehalt gefunden, sodaß der neue Wein die
alten Flaschen gesprengt hat.

In dem vorliegenden Drama habe ich nicht versucht etwas _Neues_ zu
bringen -- denn das kann man nicht -- sondern nur die Form gemäß den
Forderungen zu modernisieren, welche, nach meiner Meinung, die neuen
Menschen unserer Zeit an diese Kunst stellen sollten. Und zu diesem
Zwecke habe ich gewählt oder mich ergreifen lassen von einem Motiv, von
welchem man sagen kann, es liegt außerhalb der Parteikämpfe des Tages,
da ja das Problem vom socialen Steigen oder Fallen, von Höherem und
Niedrigerem, Besserem oder Schlechterem, Mann oder Weib, von bleibendem
Interesse ist, gewesen ist und sein wird. Als ich dieses Motiv aus dem
Leben nahm, so, wie ich es vor einer Reihe von Jahren erzählen hörte,
als das Ereignis einen starken Eindruck auf mich machte, fand ich, daß
es sich für ein Trauerspiel eigne, denn noch macht es einen traurigen
Eindruck: ein unter glücklichen Verhältnissen lebendes Individuum
untergehen zu sehen, um wieviel mehr also ein Geschlecht aussterben zu
sehen. Aber es wird vielleicht eine Zeit kommen, da wir uns so
entwickeln, so aufgeklärt werden, daß wir gleichgültig diesem jetzt
rohen, cynischen und herzlosen Schauspiel, welches das Leben darbietet,
zusehen werden, da wir diese niedrigeren und unzuverlässigen
Gedankenmaschinen, welche Gefühle genannt werden, abgelegt haben, weil
sie überflüssig und schädlich werden, sobald unsere Urteilskraft
ausgewachsen ist. Dieses, daß die Heldin Mitleid erweckt, beruht nur auf
unserer Schwäche, da wir dem Gefühle der Furcht nicht widerstehen
können, dasselbe Schicksal könnte auch uns treffen. Ein sehr
gefühlvoller Zuschauer wird vielleicht jedoch nicht durch dieses Mitleid
befriedigt sein, und der Zukunftsmensch wird vielleicht einige positive
Vorschläge, dem Übel abzuhelfen, eine Art Programm mit andern Worten,
fordern. Aber erstens giebt es kein absolutes Übel, denn daß ein
Geschlecht untergeht, ist ja etwas Gutes für ein anderes Geschlecht,
welches dadurch emporkommen kann, und der Wechsel von Steigen und Fallen
bildet gerade eine der größten Annehmlichkeiten des Lebens, da das Glück
nur in dem Vergleich liegt. Und den Programmenschen, welcher dem
peinlichen Umstande, daß der Raubvogel die Taube frißt und die Laus
wieder den Raubvogel, will ich fragen: warum soll dem abgeholfen werden?
Das Leben ist nicht so mathematisch-idiotisch, daß nur die Großen die
Kleinen auffressen, sondern es kommt oft vor, daß die Biene den Löwen
tötet oder ihn zum wenigsten toll macht.

Daß mein Trauerspiel einen traurigen Eindruck auf viele macht, ist also
der Fehler dieser. Wenn wir stark werden, wie die ersten französischen
Revolutionsmänner, wird es unbedingt einen guten und frohen Eindruck
machen, der Ausrottung eines Parkes von morschen, überjährigen Bäumen
zuzusehen, welche anderen zu lange im Wege standen, die ebenfalls das
gleiche Recht hatten, ihre Zeit zu vegetieren -- einen guten Eindruck,
gleich wie wenn man einen unheilbar Kranken sieht, der endlich sterben
kann.

Man warf kürzlich meinem Trauerspiel »Der Vater«[A] vor, es wäre so
traurig, gleich als wenn man ein lustiges Trauerspiel forderte. Man ruft
anspruchsvoll nach der Lebensfreude, und die Theaterdirektoren fordern
Farcen, gleich als wenn die Lebensfreude darin läge, albern zu sein und
Menschen zu zeichnen, welche allesamt am Veitstanz oder Idiotismus
litten. Ich finde die Lebensfreude in den starken, grausigen Kämpfen des
Lebens, und es bereitet mir Genuß, etwas erfahren, etwas lernen zu
können. Und darum habe ich einen ungewöhnlichen, aber lehrreichen Fall
gewählt, mit einem Wort eine Ausnahme, aber eine große Ausnahme, welche
die Regel bekräftigt, was sicherlich diejenigen, die das Alltägliche
lieben, verletzen wird. Was ferner bei einzelnen Anstoß erregen wird,
ist, daß meine Motivierung der Handlung nicht einfach ist, und es nicht
nur einen Gesichtspunkt dafür giebt. Ein Ereignis im Leben -- und das
ist eine ziemlich neue Entdeckung -- wird gewöhnlich von einer ganzen
Reihe mehr oder minder tiefliegender Motive hervorgerufen, aber der
Zuschauer wählt meistens dasjenige, welches seiner Urteilskraft das am
leichtesten faßliche oder für seine Urteilsgabe das ehrenvollste ist.
Es ist z.B. ein Selbstmord begangen worden. »Schlechte Geschäfte!« sagt
der Bürger. -- »Unglückliche Liebe!« sagen die Frauenzimmer. --
»Krankheit!« der Kranke. -- »Getäuschte Hoffnungen!« der Schiffbrüchige.
Aber nun kann es vorkommen, daß das Motiv hier überall oder nirgend zu
suchen war, und daß der Verstorbene das Grundmotiv dadurch verbarg, daß
er ein ganz anderes vorschob, welches das vorteilhafteste Licht über
sein Gedächtnis werfen könnte!

    [Anmerkung A: Deutsche Ausgabe von E. Brausewetter,
    Universal-Bibliothek Nr. 2489.]

Fräulein Juliens trauriges Schicksal habe ich durch eine ganze Menge von
Umständen motiviert: die Grundinstinkte der Mutter; die falsche
Erziehung des Mädchens durch den Vater; das eigene Naturell und die
Suggestionen des Bräutigams auf das schwache degenerierte Hirn; sodann
auch momentane: die Feststimmung der Johannisnacht; die Abwesenheit des
Vaters; die Beschäftigung mit dem Tiere; der aufregende Einfluß des
Tanzes; die Dämmerung der Nacht; die starke, berauschende Wirkung der
Blumen; und schließlich der Zufall, welcher die beiden in einen geheimen
Raum zusammentreibt, sowie die aufregende Zudringlichkeit des Mannes.

Ich bin also nicht einseitig physiologisch verfahren, auch nicht monoman
psychologisch, ich habe die Schuld nicht nur der Vererbung von der
Mutter oder ausschließlich der »Unsittlichkeit« aufgebürdet, noch bloß
Moral gepredigt.

Dieser Mannigfaltigkeit der Motive will ich mich rühmen, da sie mit der
Forderung der Zeit übereinstimmt! Und haben es andere schon vor mir so
gemacht, so rühme ich mich mit meinen Paradoxen, wie alle Entdeckungen
genannt werden, nicht allein zu stehen.

Was die Charakterzeichnung anbetrifft, so habe ich die Figuren ziemlich
»charakterlos« gezeichnet und zwar aus folgenden Gründen:

Das Wort Charakter hat im Lauf der Zeiten eine mehrfache Bedeutung
bekommen. Es bedeutete wohl ursprünglich den herrschenden Grundzug im
Seelenkomplex und wurde mit Temperament verwechselt. Dann wurde es der
Ausdruck der Mittelklasse für den Automaten; sodaß ein Individuum,
welches ein für allemal bei seinem Naturell stehen geblieben ist oder
sich einer gewissen Rolle im Leben angepaßt hat, welches also mit einem
Wort gesagt, aufgehört hat zu wachsen, ein Charakter genannt wurde, und
der in der Entwickelung Befindliche, der geschickte Schiffer auf dem
Strome des Lebens, welcher nicht mit fester Schote segelt, sondern den
Kahn vor dem Windstoß fallen läßt, um ihn hernach wieder aufzuluven,
wurde charakterlos genannt. Im herabsetzenden Sinne natürlich, da er ja
so schwer einzufangen, einzuregistrieren und zu kontrollieren war.
Dieser bürgerliche Begriff von der Unveränderlichkeit der Seele wurde
dann auf das Theater übertragen, wo ja das Bürgerliche immer geherrscht
hat. Ein Charakter war dort ein Herr, welcher fix und fertig war,
welcher unveränderlich als Betrunkener, als Spaßmacher, als Betrübter
auftrat; und um zu charakterisieren bedurfte es nur, dem Körper ein
Gebrechen anzudichten, einen Klumpfuß, ein hölzernes Bein, eine rote
Nase, oder daß man den Betreffenden einen Ausruf gebrauchen ließ wie
diesen: »das war galant«, »Barkis will gern« oder dergleichen. Bei
dieser Art und Weise, die Menschen so einseitig aufzufassen, bleibt noch
sogar der große Molière stehen. Harpagon ist nur geizig, obgleich
Harpagon hätte geizig und zugleich ein ausgezeichneter Finanzier, ein
prächtiger Vater, ein guter Bürger sein können, und was schlimmer ist,
sein Gebrechen ist gerade äußerst vorteilhaft für seine Tochter und
seinen Schwiegersohn, welche ihn beerben und ihn daher nicht tadeln
dürfen, wenn sie auch ein wenig warten müssen, bis sie sich kriegen.
Daher glaube ich nicht an einfache Theatercharaktere. Und gegen das
summarische Urteil der Verfasser über die Menschen: der ist dumm, der
ist brutal, der ist eifersüchtig, der ist geizig u.s.w. sollte von den
Naturalisten Einspruch erhoben werden, welche wissen, wie reich der
Seelenkomplex ist, und welche verstehen, daß das Laster eine Rückseite
hat, welche sehr stark der Tugend ähnelt.

Als moderne Charaktere, die in einer Übergangszeit leben, welche mehr
eilig hysterisch als zum mindesten die vorhergehende ist, habe ich meine
Figuren schwankender, zerrissener, von Altem und Neuem zusammengesetzter
geschildert, und es scheint mir nicht unwahrscheinlich, daß
moderne Ideen durch die Zeitungen und Gespräche auch in die
Gesellschaftsschichten hinabgedrungen sein können, in denen selbst
ein Dienstbote sich bewegt.

Meine Seelen (Charaktere) sind Konglomerate von vergangenen Kulturgraden
und Brocken der angehenden Zeit, welche aus Büchern und Zeitungen
entlehnt wurden, Stücke von Menschen, abgerissene Fetzen von
Feiertagskleidern, welche zu Lumpen geworden sind, ganz wie die
Seele zusammengeflickt ist. Und ich habe außerdem ein wenig
Entwicklungsgeschichte gegeben, indem ich den Schwächeren stehlen und
Worte wiederholen lasse von dem Stärkeren, die Seelen »Ideen«,
Suggestionen, wie es genannt wird, voneinander holen lasse.

Fräulein Julie ist ein moderner Charakter, nicht als wenn es das
Halbweib, die Männerhasserin, nicht zu allen Zeiten sollte gegeben
haben, sondern darum, weil es jetzt entdeckt, hervorgetreten ist und
Lärm gemacht hat. Das Halbweib ist ein Typus, welcher sich hervordrängt,
sich jetzt für Macht, Ansehn, Auszeichnungen und Diplome, sowie früher
für Geld verkauft und die Entartung andeutet. Es ist keine gute Art,
denn sie ist nicht lebensfähig, pflanzt sich aber leider mit all' ihrem
Elend noch ein Glied fort, und entartete Männer scheinen unbewußt die
Auswahl unter ihnen zu treffen, sodaß sie sich vermehren und Wesen
unbestimmten Geschlechtes hervorbringen, welchen das Leben eine Qual
ist, die aber glücklicherweise zu Grunde gehen, entweder in Disharmonie
mit der Wirklichkeit oder infolge unaufhaltsamen Hervorbrechens des
unterdrückten Triebes, oder der getäuschten Hoffnungen den Mann nicht
erlangen zu können. Der Typus ist tragisch, da er das Schauspiel eines
verzweifelten Kampfes gegen die Natur darbietet, tragisch als ein
romantisches Erbe, welches nun von dem Naturalismus zerstreut wird, der
nur das Glück will, und zum Glücke gehören starke und lebensfähige
Arten.

Aber Fräulein Julie ist auch ein Überbleibsel des alten Kriegeradels,
welcher jetzt vor dem neuen Nerven- oder Großgehirn-Adel untergeht; ein
Opfer der Disharmonie, welche der Mutter »Schuld« in eine Familie
hineinbringt, ein Opfer der Verirrungen der Zeit, der Umstände und ihrer
eigenen schwächlichen Konstitution, was alles zusammen soviel bedeutet,
als: das Schicksal früherer Zeiten oder die Weltordnung. Die Schuld hat
der Naturalist mit Gott zusammen ausgestrichen, aber die Folgen der
That, die Strafe, Haftbarkeit oder die Furcht davor, kann nicht
gestrichen werden, aus dem einfachen Grunde, weil sie bestehen bleiben,
ob er nun freispricht oder nicht, denn die Leute, denen Unrecht
geschehen, sind nicht so wohlwollend gestimmt, wie diejenigen, denen
keins widerfahren, es billig sein können. Selbst wenn der Vater aus
zwingenden Gründen auf die Strafe verzichten sollte, würde die Tochter
sie an sich selbst vollziehen müssen, wie sie es hier thut, infolge des
angeborenen oder erworbenen Ehrgefühls, welches die höheren Klassen
ererben -- von wo? Von der Barbarei, von der asiatischen Urheimat, von
dem Rittertum des Mittelalters? -- und welches sehr schön ist, jetzt
aber unvorteilheit für das Bestehen der Art. Es ist des Edelmannes
»Harakiri«, des Japanesen Gewissensgesetz, welches ihm gebietet sich
den Leib aufzuschlitzen, wenn ein anderer ihn beschimpft, welches in
modifizierter Form im Duell, dem Adelsprivilegium, weiterlebt. Darum
bleibt der Bediente Jean am Leben, aber Fräulein Julie kann nicht leben
ohne Ehre. Das ist der Vorzug des Knechtes vor dem Herrn, daß er frei
ist von diesem lebensgefährlichen Vorurteil betreffs der Ehre; und in
uns alten Ariern existiert etwas vom Edelmann oder Don Quijote, was
bewirkt, daß wir mit dem Selbstmörder sympathisieren, welcher eine
ehrlose Handlung begangen und so seine Ehre verloren hat, und wir sind
genug Edelleute, um Schmerz zu empfinden, wenn wir eine gefallene Größe
daliegen sehen, selbst wenn der Gefallene sich erheben könnte, und
suchen es durch ehrenvolle Handlungen wiedergutzumachen. Der Diener Jean
ist ein Artbilder, einer, bei welchem sich die Differenzierung bemerkbar
macht. Er ist ein Kätners Sohn und hat sich nun zu einem werdenden Herrn
ausgebildet. Es ist ihm leicht geworden zu lernen, da er fein
entwickelte Sinne hatte (Geruch, Geschmack, Gesicht) und Schönheitssinn.
Er hat sich bereits emporgeschwungen und ist stark genug, es sich nicht
übel zu nehmen, aus den Diensten anderer Menschen Vorteile zu ziehen. Er
ist seiner Umgebung bereits fremd, welche er als zurückgelegtes Stadium
verachtet und dennoch fürchtet und flieht, da sie seine Geheimnisse
kennen, seine Absichten ausspüren, voll Neid sein Steigen sehen und mit
Vergnügen seinen Fall erwarten. Daher sein zweideutiger, unentschiedener
Charakter, der zwischen Sympathie für das, was auf der Höhe steht, und
Haß gegen diejenigen, die nun oben sind, hin- und herschwankt. Er ist,
wie er selbst sagt, Aristokrat, hat die Geheimnisse der guten
Gesellschaft gelernt, ist gewandt im Benehmen, aber bisweilen roh, trägt
bereits mit Eleganz den Überrock, ohne jedoch eine Garantie zu bieten,
daß er rein auf dem Körper ist.

Er hat Respekt vor dem Fräulein, aber Angst vor Christine, da sie seine
gefährlichen Geheimnisse kennt; er ist gefühllos genug, nicht die
Ereignisse der Nacht störend in seine Zukunftspläne eingreifen zu
lassen. Mit der Rohheit des Knechtes und dem Mangel an Weichherzigkeit
des Herrschers kann er Blut sehen, ohne zu erblassen, ein Mißgeschick
auf den Rücken nehmen und es aus dem Wege schleudern; darum geht er auch
unverwundet aus dem Kampfe hervor und endet wahrscheinlich als
Hotelwirt, und wenn _er_ nicht rumänischer Graf wird, so wird sein Sohn
wahrscheinlich Student und möglicherweise Kronvogt.

Es sind übrigens recht wichtige Aufklärungen, die er über die
Lebensauffassung der unteren Klassen giebt, wenn er nämlich die Wahrheit
spricht, was nicht oft der Fall ist, denn er spricht mehr, was für ihn
vorteilhaft, als was wahr ist. Wenn Fräulein Julie die Vermutung
aufwirft, daß alle in den unteren Klassen den Druck von oben so schwer
empfinden, so stimmt Jean natürlich bei, da es ja seine Absicht ist,
ihre Sympathie zu gewinnen, aber er korrigiert sofort seine Äußerung,
wenn er es für vorteilhafter hält, sich von der Masse zu scheiden.

Außerdem daß Jean ein Steigender ist, steht er auch darin über dem
Fräulein, daß er ein Mann ist. Geschlechtlich ist er Aristokrat durch
seine männliche Stärke, seine feiner entwickelten Sinne und seine
Fähigkeit zur Initiative. Seine Unterlegenheit besteht zunächst in dem
zufälligen socialen Milieu, in welchem er lebt, und welches er
wahrscheinlich mit dem Bedientenrock ablegen kann.

Der Knechtssinn äußert sich in seiner Hochachtung für den Grafen (die
Stiefeln) und seinem religiösen Aberglauben; aber er achtet den Grafen
vornehmlich als den Inhaber des höheren Platzes, nach welchem er strebt;
und diese Achtung bleibt sogar noch zurück, wenn er die Tochter des
Hauses erobert hat und gesehen, wie leer die schöne Schale war.

Daß ein Liebesverhältnis in »höherem« Sinne zwischen zwei Seelen von so
ungleichem Gehalt entstehen könnte, glaube ich nicht, und darum lasse
ich Fräulein Juliens Liebe von ihr selbst als Entschuldigung oder
Verteidigung erdichten; und Jean lasse ich vermuten, daß seine Liebe
noch unter andern socialen Verhältnissen würde hervorwachsen können.
Ich denke, es ist mit der Liebe wohl wie mit der Hyacinthe, welche im
Dunkeln Wurzel schlagen soll, bevor sie eine kräftige Blüte treiben
kann. Hier schießt sie empor und setzt Blüten an, und darum erstirbt das
Gewächs so schnell.

Christine endlich ist ein weiblicher Knecht, voll Unselbständigkeit und
Stumpfsinn, den sie am Herdfeuer erworben, vollgepropft mit Moral und
Religion als Deckmantel und Sündenbock. Sie geht zur Kirche, um leicht
und schnell ihre Hausdiebstähle auf Jesus abzuwälzen und eine neue
Ladung Sündenvergebung einzunehmen. Übrigens ist sie eine Nebenperson
und darum absichtlich nur skizziert, wie ich es mit dem Pfarrer und
Doktor im »Vater« gemacht habe, da ich sie gerade als Alltagsmenschen
haben wollte, wie Landpfarrer und Provinzialärzte es meist zu sein
pflegen. Und daß diese meine Nebenfiguren etwas abstrakt erscheinen,
beruht darauf, daß die Alltagsmenschen in gewissem Sinne in Ausübung
ihres Berufes abstrakt, das heißt unselbständig sind; sie zeigen bei
der Verrichtung ihres Berufes nur eine Seite, und solange der Zuschauer
nicht das Bedürfnis empfindet sie von mehreren Seiten zu sehen, ist
meine abstrakte Schilderung ziemlich richtig.

Was schließlich den Dialog anbetrifft, so habe ich mit der Tradition
insofern ein wenig gebrochen, als ich meine Personen nicht zu Katecheten
gemacht habe, welche sitzen und dumme Fragen stellen, um eine prompte
Replik hervorzurufen. Ich habe das Symmetrische, das Mathematische in
dem französisch konstruierten Dialog vermieden und die Gehirne
ungehindert arbeiten lassen, wie sie es in der Wirklichkeit thun, wo in
einem Gespräch das Thema ja nicht völlig erschöpft wird, sondern das
eine Gehirn von dem andern gleichsam aufs Geratewohl einen Radzahn
empfängt, in welchen es eingreifen kann. Und darum wogt der Dialog auch
hin und her, versieht sich in den ersten Scenen mit einem Material,
welches später bearbeitet, wiederaufgenommen, repetiert, entwickelt und
wiederaufgelegt wird, gleich dem Thema in einer musikalischen
Komposition.

Die Handlung ist reich genug, und da sie eigentlich nur zwei Personen
angeht, habe ich mich auf sie beschränkt, und nur eine Nebenperson
eingeführt, die Köchin, und den unglücklichen Geist des Vaters über und
hinter dem Ganzen schweben lassen. Dieses Letztere habe ich gethan, da
ich zu bemerken geglaubt habe, daß für Menschen der neueren Zeit die
psychologische Entwicklung das ist, was sie am meisten interessiert, und
unsere wißbegierigen Seelen sich nicht damit begnügen, etwas vor sich
gehen zu sehen, ohne zu erfahren, wie es zugeht! Wir wollen gerade die
Fäden, die Maschinerie sehen, die doppelbodige Schachtel untersuchen,
den Zauberring in die Hand nehmen, um die Fuge zu finden, in die Karten
gucken, um zu entdecken, mit was für Zeichen sie versehen sind.

Was das Technische in der Komposition anbetrifft, so habe ich die
Akteinteilung gestrichen, weil ich bemerkt habe, daß unser Mangel an
Fähigkeit, uns von einer Illusion beherrschen zu lassen, möglicherweise
durch Zwischenakte erzeugt wird, in denen der Zuschauer Zeit bekommt zu
reflektieren und sich dabei dem suggestiven Einfluß des
Verfasser-Magnetiseurs zu entziehen. Mein Drama währt wahrscheinlich
sechs Viertelstunden, und wenn man eine Vorlesung, eine Predigt oder
eine Kongreßverhandlung ebenso lange und länger anhören kann, so habe
ich mir gedacht, daß ein Theaterstück während anderthalb Stunden nicht
ermüden würde.

Der Monolog ist von unsern Realisten als unwahr verbannt, aber wenn ich
ihn motiviere, mache ich ihn wahrscheinlich und kann ihn also mit
Vorteil verwenden. Es ist ja wahrscheinlich, daß ein Redner allein in
seinem Zimmer auf- und abgeht und laut seine Rede durchgeht,
wahrscheinlich, daß ein Schauspieler laut seine Rolle memoriert, daß ein
Mädchen mit seiner Katze plaudert, eine Mutter mit ihrem Kinde scherzt,
ein altes Fräulein mit ihrem Papagei schwatzt, ein Schlafender im
Schlafe spricht. Und um einmal dem Schauspieler zu selbständiger Arbeit
Gelegenheit zu geben und einen Augenblick dem Zeigefinger des Verfassers
zu entschlüpfen, ist es am besten, daß die Monologe nicht ausgeführt,
sondern nur angedeutet werden. Denn da es ziemlich gleichgültig ist, was
im Schlafe, zum Papagei oder zur Katze gesprochen wird, da es ja keinen
Einfluß auf die Handlung ausübt, so kann ein begabter Schauspieler, der
mitten in der Stimmung und Situation drinnen ist, dies besser
improvisieren, als der Verfasser, der nicht im voraus berechnen kann,
wieviel und wie lange geschwatzt werden kann, bis das Publikum aus der
Illusion erweckt wird.

Wo der Monolog unwahrscheinlich werden sollte, habe ich zur Pantomime
gegriffen und hier lasse ich dem Schauspieler noch mehr Freiheit, zu
dichten und selbständig Ehre zu gewinnen. Um gleichwohl das Publikum
nicht zu stark auf die Probe zu stellen, habe ich die Musik, die durch
den Tanz in der Johannisnacht wohl motiviert ist, ihre verführerische
Macht während des stummen Spiels ausüben lassen, und bitte den
Musikdirektor wohl zu beherzigen, daß er nicht fremde Stimmungen
erwecken darf durch die Erinnerung an das Operetten- oder Tanzrepertoire
des Tages oder durch allzu ethnographisch volkstümliche Melodieen.

Das Ballett,[B] welches ich eingeführt habe, konnte durch keine
Volksscene ersetzt werden, da Volksscenen schlecht gespielt werden, und
eine Menge Spaßmacher die Gelegenheit benutzen würden, sich bemerkbar zu
machen und dadurch die Illusion stören. Da das Volk seine
Böswilligkeiten nicht selbst improvisiert, sondern bereits fertiges
Material benutzt, das einen doppelten Sinn geben kann, habe ich das
»Schmähgedicht« nicht gedichtet, sondern ein weniger bekanntes Tanzspiel
benutzt, welches ich selbst in der Umgebung von Stockholm aufgezeichnet
habe. Die Worte treffen ungefähr die Sache, und das genügt völlig, denn
die Feigheit der Menge gestattet ihr nicht direkte Angriffe.[C] Also
keine ausgesprochenen Späße in einer ernsten Handlung, kein rohes
Grinsen gegenüber einer Situation, die den Deckel auf den Sarg eines
Geschlechtes legt.

    [Anmerkung B: Der Verfasser meint hier mit Ballett natürlich einen
    Tanz, einen Volkstanz, und denkt nicht etwa an die berühmten kurzen
    Röckchen und die fleischfarbenen Tricots.  Der Übers.]

    [Anmerkung C: Um dieser Absicht des Dichters möglichst genau
    gerecht zu werden, wählte ich dafür ein älteres deutsches
    »Gesellschaftslied«.  Der Übers.]

Was die Dekorationen anbetrifft, so habe ich von der impressionistischen
Malerei das Unsymmetrische und Abgeschnittene entlehnt und glaube
dadurch die Illusion zu erhöhen; denn dadurch, daß man nicht die ganze
Scene und das ganze Möblement sieht, ist es einem möglich gemacht den
Raum zu ahnen: die Phantasie wird erregt und ersetzt das Fehlende. Auch
habe ich es dadurch erreicht, daß ich das ermüdende Gehen und Kommen
durch die Thüren los wurde, besonders da die Theaterthüren aus Leinwand
sind und bei der geringsten Bewegung flattern. Ebenso habe ich mich an
eine einzelne Dekoration gehalten, damit die Personen sich mit der
Umgebung verschmelzen können, und um mit dem Dekorationsluxus zu
brechen.

Ich habe die Hintergrundsdekoration und den Tisch _schräg_ gestellt,
um die Schauspieler zu veranlassen "en face" und in halbem Profil zu
spielen, wenn sie am Tisch einander gegenüber sitzen.

Eine andere vielleicht nicht unnötige Verbesserung würde die Entfernung
der Rampe sein. Dieses Licht von unten scheint die Aufgabe zu haben die
Schauspieler im Gesichte voller erscheinen zu lassen; aber ich muß
fragen: Warum sollen alle Schauspieler volle Gesichter haben? Ob das
Licht von unten nicht eine Menge feiner Züge in den unteren Partieen des
Gesichtes, namentlich der Kiefer, verwischt, ob es nicht die Form der
Nase verändert und Schatten über die Augen wirft? Und wenn nicht, so ist
doch sicher, daß es den Augen des Schauspielers unangenehm ist, sodaß
das wirkungsvolle Spiel des Blicks verloren geht, denn das Licht der
Rampe trifft die Netzhaut auf Stellen, die sonst geschützt sind und
darum sieht man selten andere Bewegungen der Augen, als ein dummes
Starren zur Seite oder hinauf zu den Logenreihen, sodaß das Weiße im
Auge zu sehen ist. Möglicherweise kann man derselben Ursache das müde
Blinzeln mit dem Augendeckel bei den Schauspielern und namentlich bei
den Schauspielerinnen zuschreiben. Und wenn jemand auf der Bühne mit den
Augen sprechen will, kann er nur geradeaus ins Publikum sehen, mit dem
er (oder sie) außerhalb des Rahmens des Stückes eine direkte
Korrespondenz einleitet; eine Unsitte, die mit Recht oder Unrecht
»Bekannte begrüßen« genannt wird.

Sollte nicht genügend starkes Seitenlicht (mit Reflektoren oder
dergleichen) dem Schauspieler dieses neue Hilfsmittel bieten können: die
Mimik durch den ausdrucksvollsten Teil des Gesichtes, die Augen, zu
stärken?

Die Illusion, die Schauspieler dahin zu vermögen, für und nicht mit dem
Publikum zu spielen, nähre ich nicht, wenn dieses auch in hohem Grade
wünschenswert wäre. Ich glaube nicht, daß ich eine ganze Scene hindurch
den ganzen Rücken eines Schauspielers werde zu sehen bekommen, aber ich
wünsche von ganzem Herzen, daß die Hauptscenen nicht, gleich Duetten,
vorn am Souffleurkasten gespielt werden mögen, in der Absicht, Beifall
zu ernten, sondern ich will sie auf einen Platz haben, der zu der
Situation paßt. Also keine Revolution, sondern nur kleine
Modifikationen.

Wenn ich nun beginne vom Schminken zu sprechen, so nähre ich keine
Hoffnung, von den Damen gehört zu werden, die lieber hübsch, als wahr
sein wollen. Aber der Schauspieler sollte doch genau überlegen, ob es
für ihn vorteilhaft ist, durch das Schminken seinem Gesichte einen
abstrakten Charakter zu geben, der wie eine Maske auf demselben sitzen
bleibt. Denken wir uns einen Herrn, der sich mit Kohle einen scharfen,
zornigen Zug zwischen den Augen anbringt, und nehmen wir an, daß dieser
ständig zornig aussehende Mensch bei einer Replik lachen soll. Welch'
schauderhafte Grimasse wird das nicht werden? Und wie soll eine falsche
Stirn, die blank ist, wie eine Billardkugel, gerunzelt werden können,
wenn der Alte zornig wird.

Mit einem modernen psychologischen Drama, wo die feinsten seelischen
Empfindungen sich mehr in den Gesichtszügen als in den Bewegungen und im
Geschrei widerspiegeln sollen, thäte man wohl am besten, es mit starkem
Seitenlicht auf einer kleinen Bühne und mit Schauspielern ohne Schminke
oder zum mindesten einem Minimum davon zu versuchen.

Könnten wir das sichtbare Orchester mit seinem störenden Lampenlicht und
den gegen das Publikum gewandten Gesichtern loswerden; würde das Parkett
so erhöht, daß die Augen des Zuschauers höher träfen, als auf die Kniee
des Schauspielers; schafften wir die Prosceniumslogen ab und dazu
vollständige Dunkelheit im Theater während der Vorstellung, sowie zuerst
und vor allem eine _kleine_ Bühne und einen _kleinen_ Zuschauerraum,
dann könnte vielleicht eine neue dramatische Kunst erstehen, und das
Theater wieder eine Institution zur Freude der Intelligenteren werden.

Indem wir auf dieses Theater warten, müssen wir auf Lager schreiben und
das Repertoire der Zukunft vorbereiten.

Ich habe einen Versuch gemacht! Ist er mißglückt, so ist noch Zeit
genug, einen neuen zu machen.

  _Kopenhagen_ im Sommer 1888.

    _Der Verfasser._




Fräulein Julie.


_Personen:_

_Fräulein Julie_, 25 Jahre alt.

_Jean_, Diener, 30 Jahre alt.

_Christine_, Köchin, 35 Jahre alt.

Die Handlung spielt in der Johannisnacht in einer gräflichen Küche.




Schauplatz:


Eine große Küche, deren Decke und Seitenwände von den Draperien und
Soffiten verdeckt werden. Die Hinterwand zieht sich von links schräg in
die Scene hinein; auf der linken Seite zwei Gestelle mit Kupfer-,
Messing-, Eisen- und Zinngeschirr; die Gestelle sind mit zackigem Papier
garniert; etwas weiter rechts sieht man dreiviertel des großen gewölbten
Ausganges mit zwei Glasthüren, durch welche ein Springbrunnen mit einem
Amor, blühende Fliederbüsche und einige Pappelbäume sichtbar sind.
Eingänge rechts und links.

Links auf der Bühne eine Ecke eines großen Kachelherdes mit einem Teil
des Rauchfanges.

Rechts das eine Ende eines Gesindeeßtisches aus weißem Fichtenholz mit
einigen Stühlen; auf dem Tisch eine große japanische Kruke mit Flieder.

Der Herd ist mit Birkenzweigen ausgeputzt, der Boden mit Wachholder
bestreut.

Ein Eisschrank, ein Waschtisch und ein Aufwaschtisch. Eine große,
altertümliche Schlaguhr über der Thüre und ein Sprachrohr auf der linken
Seite derselben.


  _Christine_ steht links am Herd und bratet etwas in einer Pfanne;
  sie hat ein helles Kattunkleid an und eine Küchenschürze um. _Jean_
  kommt durch die Glasthür hinein, in Livree; er trägt in der Hand ein
  paar große Reitstiefel mit Sporen, die er auf einer sichtbaren
  Stelle hinten auf den Boden stellt.

_Jean._ Heute Abend ist das Fräulein Julie wieder verrückt, total
verrückt!

_Christine._ So, du bist jetzt hier?

_Jean._ Ich begleitete den Herrn Grafen zur Station, und als ich auf dem
Rückweg an der Scheune vorüberkam, ging ich hinein, um zu tanzen.
Fräulein Julie tanzte gerade mit dem Förster; als sie mich aber gewahr
wurde, fährt sie gerade auf mich los und fordert mich zum Damenwalzer
auf. Und seitdem hat sie in einer Weise getanzt, daß ich nie etwas
derartiges gesehen habe. Sie ist einfach verrückt.

_Christine._ Das ist sie ja immer gewesen, aber niemals so, wie die
letzten vierzehn Tage, seitdem die Verlobung aufgehoben wurde.

_Jean._ Ja, was war das eigentlich für eine Geschichte. Es war doch ein
feiner Kerl, wenn er auch nicht reich war. Ach ja! sie haben so viele
Launen! (Er setzt sich rechts an den Tisch.) Es ist in jedem Fall
sonderbar von dem Fräulein, daß sie lieber bei den Leuten zu Hause
bleiben will, als ihren Vater zu ihren Verwandten begleiten? Nicht?

_Christine._ Ja, sie fühlt sich wohl gleichsam ein wenig geniert nach
der Geschichte mit ihrem Bräutigam.

_Jean._ Kann schon sein! Aber es war doch in jedem Fall ein tüchtiger
Kerl. Weißt du, Christine, wie es kam? Ich sah es mit an, obgleich ich
mir nichts merken lassen wollte.

_Christine._ Wie? Du sahst es mit an?

_Jean._ Ja, das that ich. Sie waren eines Abends unten im Stallhof, und
das Fräulein »tränierte« ihn, wie sie es nannte -- weißt du, was sie
machte? Sie ließ ihn über die Reitpeitsche springen, wie einen Hund, den
man »hop« machen lehrt. Zweimal sprang er hinüber und bekam jedesmal
einen Schlag; aber das dritte Mal nahm er ihr die Reitpeitsche aus der
Hand, zerbrach sie in tausend Stücke und -- ging.

_Christine._ So kam es? Nein, was du sagst!

_Jean._ Ja, so kam es! Aber kannst du mir nun nicht etwas Gutes zu essen
geben, Christine?

_Christine_ (legt aus der Pfanne auf und setzt es Jean vor). Ach, nur
ein bißchen Nieren, die ich aus dem Kalbsbraten herausgeschnitten habe!

_Jean_ (beriecht das Essen). Ah! Sehr schön, das ist mein größtes
Delice! (Er befühlt den Teller.) Aber du hättest den Teller wärmen
können!

_Christine._ Du bist noch krittlicher, als selbst der Graf, wenn du erst
einmal anfängst. (Sie zieht ihn liebkosend am Haar.)

_Jean_ (böse). Au! Du mußt mich nicht so reißen, du weißt ja, wie
empfindlich ich bin.

_Christine._ Na, na, es war ja nur aus Liebe.

_Jean_ (ißt).

_Christine_ (zieht eine Flasche Bier auf).

_Jean._ Bier in der Johannisnacht? Nein, danke bestens! Da habe ich
selbst was Besseres. (Er öffnet die Tischschublade und nimmt eine
Flasche Rotwein mit gelbem Lack heraus.) Gelber Lack, siehst du! Gieb
mir nun ein Glas! Ein Fußglas, versteht sich, wenn man _reinen_ Wein
trinkt.

_Christine_ (wendet sich wieder zum Herd und setzt eine kleine Kasserole
auf). Gott sei der gnädig, die dich einmal zum Mann bekommt! So ein
Kräkler!

_Jean._ Ach red' doch nicht! Du wärst sehr vergnügt, wenn du so'n feinen
Kerl, wie mich, bekämst; und ich glaube nicht, daß du davon Schaden
hast, daß man mich deinen Liebsten nennt! (Er schmeckt den Wein.) Ah!
Sehr fein! Sehr fein! Nur etwas zu wenig temperiert! (Er wärmt das Glas
mit der Hand.) Den haben wir in Dijon gekauft. Und er kam vier Francs
der Liter ohne Glas; und dann noch der Zoll dazu! Was kochst du denn
jetzt? Das stinkt ja infernalisch!

_Christine._ Ach, das ist so ein Teufelsdreck, den Fräulein Julie für
die Diana haben will.

_Jean._ Du solltest dich ein wenig zierlicher ausdrücken, Christine!
Aber warum mußt du am heiligen Abend dastehen und für das Beest kochen?
Ist es krank, was?

_Christine._ Jawohl! Sie hat sich zu dem Hofhund hinausgeschlichen --
und da haben sie Unsinn gemacht -- und siehst du, davon will das
Fräulein nichts wissen.

_Jean._ Ja, in einer Beziehung ist das Fräulein zu stolz und in anderer
zu wenig stolz, ganz wie die Gräfin bei Lebzeiten. Sie fühlte sich am
wohlsten in der Küche und im Stall, aber sie wollte niemals mit _einem_
Pferd fahren; sie ging mit schmutzigen Manschetten, mußte aber die
Grafenkrone auf den Knöpfen haben. Das Fräulein, um nun von ihr zu
reden, nimmt sich und ihre Person nicht genug in acht. Ich möchte sagen,
sie ist nicht fein. Jetzt eben, als sie in der Scheune tanzte, riß sie
den Förster von Annas Seite fort und forderte ihn selbst auf. Wir würden
uns nicht so benehmen; aber so geht es, wenn die Herrschaften sich
gemein machen, dann -- werden sie gemein! Aber stattlich ist sie!
Prachtvoll! O! Diese Schultern! Dieser Busen! und -- &c.!

_Christine._ Na, dabei ist auch viel Kunst! Ich weiß, was Klara gesagt
hat, die ihr beim Anziehen hilft.

_Jean._ Pah, Klara! Ihr seid immer neidisch aufeinander! Ich bin mit ihr
ausgewesen und habe sie reiten sehen -- Und dann, wie sie tanzt!

_Christine._ Höre einmal, Jean! Willst du nicht mit mir tanzen, wenn ich
fertig bin?

_Jean._ Ja, natürlich will ich das.

_Christine._ Versprichst du es mir?

_Jean._ Versprechen? Wenn ich sage, ich thue es, dann thue ich es auch!
Indessen besten Dank für das Essen. Es war sehr gut. (Er schlägt den
Pfropfen in die Flasche hinein.)

_Das Fräulein_ (in der Glasthür, spricht nach außen). Ich bin sogleich
wieder da! Geht nur solange voran!

_Jean_ (verbirgt die Weinflasche in der Tischschublade und steht dann
ehrerbietig auf).

_Fräulein Julie_ (tritt ein und geht zu Christine an den Herd). Na! Ist
es fertig?

_Christine_ (giebt ihr durch Zeichen zu verstehen, daß Jean zugegen
ist).

_Jean_ (galant). Haben die Damen Geheimnisse vor?

_Julie_ (schlägt ihm mit dem Taschentuch ins Gesicht). Ist Er neugierig?

_Jean._ Ach, wie schön das nach Veilchen duftete!

_Julie_ (kokett). Unverschämter! Versteht Er sich auch auf Parfüms?
Tanzen kann Er -- Nicht hersehen! Geh Er fort! (Sie tritt hinter den
Tisch.)

_Jean_ (naseweis, aber artig). Ist es ein Zaubertrank, was die Damen da
in der Johannisnacht brauen? Etwas, um dann in den Sternen des Glückes
zu lesen, sodaß man seine Zukünftige zu sehen bekommt!

_Julie_ (scharf). Ja, wenn Er die zu sehen bekommt, dann muß Er gute
Augen haben! (Zu Christine.) Gieße es in eine halbe Flasche hinein und
korke es fest zu. Komm Er nun und tanze einen Schottisch mit mir, Jean
-- (Sie läßt ihr Taschentuch auf dem Tisch liegen.)

_Jean_ (zögernd). Ich will gegen niemand unartig sein, aber diesen Tanz
hatte ich Christinen versprochen --

_Julie._ Na, sie kann ja einen andern bekommen. (Sie tritt zu
Christine.) Oder wie, Christine? willst du mir den Jean nicht leihen?

_Christine._ Das hängt nicht von mir ab. Wenn das gnädige Fräulein so
herablassend ist, so paßt es sich nicht, daß er nein sagt. Geh nur! und
bedanke dich für die Ehre.

_Jean._ Aufrichtig gesprochen, aber ohne Sie verletzen zu wollen, ist es
klug von Ihnen, Fräulein Julie, zweimal hintereinander mit demselben
Herrn zu tanzen, besonders da die Leute hier sehr geneigt sind,
allerhand Schlüsse zu ziehen --

_Julie_ (braust auf). Was soll das heißen? Was für Schlüsse? Was meint
Er damit?

_Jean_ (ausweichend). Da das Fräulein mich nicht verstehen wollen, muß
ich deutlicher reden. Es sieht nicht gut aus, wenn Sie einen Ihrer
Untergebenen den andern, die dieselbe ungewöhnliche Ehre erwarten,
vorziehen --

_Julie._ Vorziehen! Was bildet Er sich ein! Ich bin ganz erstaunt! Ich,
die Herrin des Hauses, beehre den Tanz der Leute mit meiner Gegenwart,
und wenn ich nun wirklich tanzen will, so will ich es mit einem, der
führen kann, sodaß ich dem entgehe, ausgelacht zu werden.

_Jean._ Wie das Fräulein befehlen! Ich stehe zu Diensten!

_Julie_ (sanft). Sprechen Sie jetzt nicht von befehlen. Heute Abend sind
wir ja als frohe Menschen auf dem Fest und legen allen Rang ab! So,
geben Sie mir denn Ihren Arm! Sei ganz ruhig, Christine! Ich werde dir
deinen Schatz nicht entführen!

_Jean_ (bietet ihr seinen Arm und führt sie durch die Glasthür hinaus).


  _Christine_ allein.[D]

  Schwache Violinenmusik in einiger Entfernung im Takt eines
  Schottisch.

_Christine_ (summt die Musik mit, räumt den Tisch ab, wo Jean gegessen
hat, wäscht den Teller am Aufwaschtisch ab, trocknet ihn ab und setzt
ihn in einen Schrank. Dann legt sie die Küchenschürze ab, nimmt einen
kleinen Spiegel aus der Tischschublade, stellt ihn gegen die Krucke mit
Flieder auf dem Tisch, zündet ein Talglicht an und macht eine Haarnadel
heiß, mit der sie ihre Stirnhaare kräuselt. Darauf geht sie an die
Glasthüre und lauscht, kommt wieder an den Tisch zurück, findet das
Taschentuch des Fräuleins, das dieselbe vergessen, nimmt es und riecht
daran; dann breitet sie es in Gedanken aus, reckt es, streicht es glatt
und legt es viermal zusammen).

    [Anmerkung D: Diese stumme Scene muß gespielt werden, als wenn die
    Schauspielerin wirklich allein wäre: also sie muß nach Bedürfnis
    dem Publikum den Rücken zuwenden und nicht in den Zuschauerraum
    hineinsehen; auch sich nicht übereilen, als wenn sie fürchtete,
    das Publikum könnte ungeduldig werden.  Der Verfasser.]


_Jean_ (kommt allein durch die Glasthür zurück). Ja, sie ist verrückt.
So zu tanzen! Und die Leute stehen an den Thüren und grinsen über sie.
Was sagst du dazu, Christine?

_Christine._ Ach, es ist ja jetzt ihre Zeit, und da ist sie immer so
sonderbar. Aber willst du jetzt kommen und mit mir tanzen?

_Jean._ Du bist doch wohl nicht böse, daß ich dir echappierte?

_Christine._ Nein! Nicht im geringsten, das weißt du ja; und ich kenne
auch meine Stellung --

_Jean_ (legt die Hand um ihre Taille). Du bist ein verständiges Mädchen,
Christine, und würdest eine tüchtige Hausfrau werden --

_Julie_ (kommt durch die Glasthüre herein; sie ist unangenehm
überrascht; mit erzwungener Munterkeit). Sie sind ja ein scharmanter
Kavalier -- der seiner Dame davonspringt.

_Jean._ Im Gegenteil, Fräulein Julie, wie Sie sehen, habe ich mich
beeilt, die Verlassene aufzusuchen!

_Julie_ (in anderm Ton). Wissen Sie, daß Sie wie kein anderer tanzen!
Aber warum gehen Sie am Festabend in Livree? Legen Sie sie gleich ab!

_Jean._ Dann muß ich das Fräulein bitten, sich einen Augenblick zu
entfernen, denn mein schwarzer Rock hängt hier -- (Er geht mit
entsprechender Gebärde nach rechts.)

_Julie._ Geniert Er sich vor mir! Um einen Rock zu wechseln! Geh' Er
denn in sein Zimmer und komme wieder zurück! Übrigens kann Er auch
hierbleiben, ich drehe mich um!

_Jean._ Mit Ihrer Erlaubnis, mein Fräulein. (Er geht nach links, man
sieht seinen Arm, wenn er den Rock wechselt.)

_Julie_ (zu Christine). Höre, Christine; ist Jean dein Schatz, da er so
vertraut mit dir ist?

_Christine_ (nach dem Herd gehend). Schatz? Ja, wenn man so will! Wir
nennen es so.

_Julie._ Nennen?

_Christine._ Na, das Fräulein haben ja selbst einen Schatz gehabt,
und --

_Julie._ Ja, wir waren richtig verlobt --

_Christine._ Aber es wurde ja doch nichts daraus -- (Sie setzt sich und
schläft nach und nach ein.)

_Jean_ (in schwarzem Rock und mit schwarzem Hut).

_Julie._ Très gentil, monsieur Jean! Très gentil!

_Jean._ Vous voulez plaisanter, madame!

_Julie._ Et vouz voulez parlez français! Wo haben Sie das gelernt?

_Jean._ In der Schweiz, als ich in einem der ersten Hotels in Luzern
Zimmerkellner war!

_Julie._ Aber Sie sehen in dem Rock ja wie ein Gentleman aus! Charmant!
(Sie setzt sich an den Tisch rechts.)

_Jean._ Ach, Sie schmeicheln!

_Julie_ (verletzt). Schmeicheln? Ihm?

_Jean._ Meine angeborene Bescheidenheit erlaubt mir nicht zu glauben,
daß Sie einem Menschen, wie mir, veritable Artigkeiten sagen, und darum
erlaubte ich mir, anzunehmen, daß Sie übertrieben, oder wie man zu sagen
pflegt, schmeichelten!

_Julie._ Wo haben Sie es gelernt, so Ihre Worte zu setzen? Sie müssen
das Theater viel besucht haben?

_Jean._ Gewiß! Ich habe viele Orte besucht!

_Julie._ Aber Sie sind doch hier in der Gegend geboren?

_Jean._ Mein Vater war Instmann bei dem Staatsanwalt dieses Bezirks, und
ich habe auch das Fräulein als Kind gesehen, obgleich das Fräulein mich
nicht bemerkt haben!

_Julie._ Wirklich?

_Jean._ Ja, und auf einmal besinne ich mich namentlich -- ja, aber davon
kann ich nicht reden!

_Julie._ O ja -- thun Sie es doch! Wie? Mir zum Gefallen!

_Jean._ Nein, ich kann jetzt wirklich nicht! Ein andermal vielleicht.

_Julie._ Ein andermal ist gar keinmal. Ist es denn jetzt so gefährlich?

_Jean._ Gefährlich ist es nicht, aber es ist doch am besten, es zu
unterlassen! Sehen Sie nur, die da! (Er zeigt auf Christine, die auf
einem Stuhl am Herde eingeschlafen ist.)

_Julie._ Das wird eine muntere Frau. Vielleicht schnarcht sie auch?

_Jean._ Das thut sie nicht; aber sie spricht im Schlaf.

_Julie._ Woher wissen Sie, daß sie im Schlaf spricht?

_Jean._ Ich habe es gehört!

  (Pause, in der sie einander betrachten.)

_Julie._ Warum setzen Sie sich nicht?

_Jean._ Das darf ich mir in Ihrer Gegenwart nicht erlauben!

_Julie._ Und wenn ich es befehle?

_Jean._ Dann gehorche ich.

_Julie._ Setzen Sie sich! -- Aber warten Sie! Können Sie mir nicht etwas
zu trinken geben?

_Jean._ Ich weiß nicht, was sich hier im Eisschrank vorfindet. Ich
glaube, es ist nur Bier.

_Julie._ Das ist nicht zu verachten! und ich meinesteils habe einen so
einfachen Geschmack, daß ich es dem Wein vorziehe.

_Jean_ (nimmt eine Bierflasche aus dem Eisschrank, welche er aufzieht;
er sucht im Schrank nach einem Glas und einem Teller, auf dem er
serviert). Darf ich bitten!

_Julie._ Danke! Wollen Sie nicht auch trinken?

_Jean._ Ich bin gerade kein Bierfreund, aber wenn das Fräulein befehlen!

_Julie._ Befehlen? Mir scheint, als höflicher Kavalier könnten Sie Ihrer
Dame Gesellschaft leisten.

_Jean._ Das ist sehr richtig bemerkt! (Er zieht noch eine Flasche auf
und nimmt ein Glas.)

_Julie._ Trinken Sie nun auf mein Wohl!

_Jean_ (zögert).

_Julie._ Ich glaube, der alte Kerl ist schüchtern!

_Jean_ (auf den Knieen scherzhaft parodierend, erhebt sein Glas). Das
Wohl meiner Herrin!

_Julie._ Bravo! -- Nun müssen Sie auch meinen Schuh küssen, dann ist es
vollständig.

_Jean_ (zögert, faßt dann aber dreist ihren Fuß und küßt ihn flüchtig).

_Julie._ Ausgezeichnet! Sie hätten Schauspieler werden sollen.

_Jean_ (erhebt sich). Das geht nicht so weiter, Fräulein! Es könnte
jemand kommen und uns sehen.

_Julie._ Was thäte das?

_Jean._ Die Leute würden ganz einfach darüber sprechen. Und wenn das
Fräulein wüßten, wie die Mäuler schon vorhin gingen, dann --

_Julie._ Was sagten sie denn? Erzählen Sie es mir! Aber setzen Sie sich!

_Jean_ (setzt sich). Ich möchte Sie nicht kränken, aber sie gebrauchten
Ausdrücke -- die Vermutungen der Art andeuteten, daß -- ja, Sie werden
das ja wohl selbst verstehen! Sie sind ja kein Kind mehr, und wenn man
eine Dame allein mit einem Mann zusammen trinken sieht -- sei es auch
nur ein Bedienter -- zumal noch in der Nacht -- dann --

_Julie._ Was dann? Und übrigens sind wir nicht allein. Christine ist ja
hier.

_Jean._ Ja, sie schläft.

_Julie._ Dann werde ich sie wecken. (Sie steht auf.) Christine!
Schläfst du?

_Christine_ (im Schlaf). Bla--bla--bla--bla!

_Julie._ Christine! -- Die kann schlafen!

_Christine_ (im Schlaf). Die Stiefeln des Grafen sind geputzt -- Kaffee
aufsetzen -- sofort, sofort, sofort. -- O, o! -- Puh!

_Julie_ (faßt sie bei der Nase). Willst du aufwachen!

_Jean_ (streng). Stören Sie einen Schlafenden nicht!

_Julie_ (scharf). Wie?

_Jean._ Wer den ganzen Tag am Herd gestanden hat, kann müde sein, wenn
die Nacht kommt. Und den Schlaf soll man respektieren.

_Julie_ (in anderm Ton). Das ist hübsch gedacht, und das ehrt Ihn --
Danke! (Sie reicht Jean die Hand.) Kommen Sie nun hinaus und pflücken
Sie mir etwas Flieder!

_Christine_ (erwacht während des Folgenden und geht schlaftrunken nach
rechts ab, um sich zu Bett zu begeben).

_Jean._ Mit dem Fräulein?

_Julie._ Mit mir!

_Jean._ Das geht nicht! Absolut nicht!

_Julie._ Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Sollte es möglich sein, daß
Sie sich etwas einbilden?

_Jean._ Ich nicht, aber die Leute!

_Julie._ Was? Daß ich in einen Bedienten verliebt wäre?

_Jean._ Ich bin kein eingebildeter Mensch, aber man hat Beispiele
gesehen -- und den Leuten ist nichts heilig.

_Julie._ Er ist, glaube ich, Aristokrat!

_Jean._ Ja, das bin ich.

_Julie._ Und ich steige herab --

_Jean._ Steigen Sie nicht herab, Fräulein, hören Sie meinen Rat! Niemand
glaubt, daß Sie gutwillig herabsteigen; die Leute werden immer sagen,
Sie sind gefallen!

_Julie._ Ich habe eine bessere Meinung von den Leuten, als Sie! Kommen
Sie und versuchen Sie! -- Kommen Sie! (Sie fordert ihn mit den Augen
auf.)

_Jean._ Wissen Sie, Sie sind sonderbar!

_Julie._ Vielleicht! Aber das sind Sie auch! Alles ist übrigens
sonderbar! Das Leben, die Menschen, alles ist eine Eisscholle, die auf
dem Wasser dahingetrieben wird, bis sie sinkt, sinkt. Ich habe einen
Traum, der hie und da wiederkommt und an den ich jetzt denken muß. Ich
sitze auf einer hohen Säule und sehe keine Möglichkeit herunterzukommen;
mir schwindelt, wenn ich hinuntersehe, und doch muß ich hinunter, aber
ich habe nicht den Mut mich hinabzustürzen; ich kann mich nicht
festhalten und ich sehne mich darnach zu fallen; aber ich falle nicht.
Und doch habe ich keine Ruhe, bevor ich unten bin, keinen Frieden, bevor
ich auf der Erde angelangt bin. Und komme ich auf die Erde hinunter, so
will ich hinunter _in_ die Erde. Haben Sie jemals so etwas empfunden.

_Jean._ Nein! Ich pflege zu träumen, ich läge unter einem hohen Baum in
einem düstern Walde. Ich will hinauf, hinauf zum Wipfel, und mich in der
lichten Landschaft umsehen, wo die Sonne scheint, und das Vogelnest dort
oben plündern, in dem die Goldeier liegen. Und ich klettere und
klettere, aber der Stamm ist so dick und so glatt, und es ist so weit
bis zum ersten Zweig. Aber ich weiß, wenn ich nur den ersten Zweig
erreichte, könnte ich zum Wipfel, wie auf einer Leiter, emporsteigen.
Noch habe ich ihn nicht erreicht, aber ich muß ihn erreichen, und wäre
es auch nur im Traum!

_Julie._ Hier stehe ich und schwatze mit Ihnen! Kommen Sie nun! Nur
hinaus in den Park. (Sie bietet ihm den Arm und sie gehen.)

_Jean._ Wir sollten heute Nacht auf neun Johannisnachtkräutern schlafen,
dann gehen unsere Träume in Erfüllung, Fräulein!

_Beide_ (machen in der Thür kehrt).

_Jean_ (hält die Hand vor das eine Auge).

_Julie._ Lassen Sie mich sehen, was Ihnen ins Auge gekommen ist.

_Jean._ O nichts! Nur ein Stäubchen -- das ist gleich wieder gut.

_Julie._ Es war der Ärmel meines Kleides, der Sie kratzte; setzen Sie
sich nun, dann werde ich Ihnen helfen. (Sie nimmt ihn am Arm und setzt
ihn am Tisch nieder; faßt dann seinen Kopf und legt ihn hintenüber; mit
einem Zipfel des Taschentuches sucht sie das Stäubchen
herauszubekommen.) Sitzen Sie jetzt still, ganz still. (Sie schlägt ihm
auf die Hand.) So! will Er gehorchen! Ich glaube, der große, starke
Mensch zittert! (Sie befühlt seinen Oberarm.) Mit solchen Armen!

_Jean_ (warnend). Fräulein Julie!

_Julie._ Ja, Monsieur Jean.

_Jean._ Attention! Je ne suis qu'un homme!

_Julie._ Will Er stillsitzen! -- Sieh da! Nun ist es fort! Küss' Er
meine Hand und dank' Er mir.

_Jean_ (steht auf). Fräulein Julie! Hören Sie mich an! Jetzt ist
Christine fortgegangen und hat sich zu Bett gelegt! Wollen Sie mich
anhören?

_Julie._ Erst die Hand küssen!

_Jean._ Hören Sie mich an.

_Julie._ Erst die Hand küssen!

_Jean._ Ja, aber Sie müssen die Verantwortung übernehmen.

_Julie._ Wofür?

_Jean._ Wofür? Sind Sie mit fünfundzwanzig Jahren noch ein Kind? Wissen
Sie nicht, daß es gefährlich ist, mit dem Feuer zu spielen?

_Julie._ Nicht für mich; ich bin assekuriert!

_Jean_ (dreist). Nein, das sind Sie nicht! Und wenn Sie es sind, dann
giebt es feuergefährliche Einrichtungen in der Nachbarschaft!

_Julie._ Sollten Sie das sein?

_Jean._ Ja, nicht weil ich es bin, sondern weil ich ein junger Mann
bin --

_Julie._ -- von vorteilhaftem Äußern -- welche unglaubliche Eitelkeit!
Ein Don Juan vielleicht! Oder ein Joseph! Ich glaube, meiner Treu, er
ist ein Joseph!

_Jean._ Glauben Sie?

_Julie._ Ich fürchte beinahe.

_Jean_ (geht dreist auf sie zu und will sie umarmen, um sie zu küssen).

_Julie_ (giebt ihm eine Ohrfeige). Fort!

_Jean._ Ist das Ernst oder Scherz?

_Julie._ Ernst!

_Jean._ Dann war auch das vorher Ernst! Sie spielen allzu ernst und das
ist gefährlich! Nun bin ich aber des Spiels müde und bitte um
Entschuldigung, daß ich wieder an meine Arbeit gehe. (Er geht nach
hinten zu den Stiefeln.) Der Graf muß beizeiten seine Stiefel haben, und
Mitternacht ist längst vorüber. (Er nimmt die Stiefeln auf.)

_Julie._ Stell' Er die Stiefel fort!

_Jean._ Nein! Das ist mein Dienst, den ich schuldig bin zu thun. Ich
habe es aber niemals übernommen, Ihr Spielkamerad zu sein, und kann es
auch niemals werden, denn ich halte mich dafür zu gut.

_Julie._ Sie sind stolz!

_Jean._ In gewissen Fällen; in andern nicht.

_Julie._ Haben Sie jemals geliebt?

_Jean._ Wir gebrauchen nicht das Wort; aber ich habe viele Mädchen gern
gehabt, und einmal bin ich davon krank geworden, daß ich die nicht
bekommen konnte, die ich haben wollte; krank, sehen Sie, wie die Prinzen
in »Tausend und eine Nacht«, die vor lauter Liebe nicht essen und nicht
trinken können. (Er stellt die Stiefel wieder hin.)

_Julie._ Wer war es?

_Jean_ (schweigt).

_Julie._ Wer war es?

_Jean._ Sie können mich nicht zwingen, es zu sagen.

_Julie._ Wenn ich Sie, wie Ihresgleichen bitte, wie -- ein Freund? Wer
war es?

_Jean._ Sie!

_Julie_ (setzt sich). Wie komisch!

_Jean._ Ja, wenn Sie es denn hören wollen! Es war lächerlich! Sehen Sie,
das ist die Geschichte, die ich vorhin nicht erzählen wollte; aber jetzt
werde ich sie erzählen! Wissen Sie, wie die Welt von unten aussieht?
Nein, das wissen Sie nicht! Gleich Habichten und Falken, deren Rücken
man selten sehen kann, da sie meist droben schweben. Ich wuchs im
Insthause mit sieben Schwestern und -- einem Schwein zusammen, draußen
auf den nackten, grauen Feldern heran, wo nicht ein Baum wuchs. Aber vom
Fenster aus konnte ich die Mauer des gräflichen Parks mit den
Äpfelbäumen darüber erblicken. Das war der Garten des Paradieses; und
dort standen viele Engel mit flammendem Schwert und bewachten ihn. Aber
nichtsdestoweniger fand ich und andere Jungen den Weg zum Baume des
Lebens -- nun, verachten Sie mich?

_Julie._ Ach! Äpfel stehlen, das thun alle Jungen!

_Jean._ Das sagen Sie jetzt so, aber Sie verachten mich doch! Na,
gleichviel! Einmal kam ich mit meiner Mutter in den Garten hinein, um
die Zwiebelbeete von Unkraut zu säubern! Dicht bei der Gartenmauer stand
ein türkischer Pavillon im Schatten von Jasminen und umrankt von
Kaprifolien. Ich wußte nicht, wozu es diente, aber ich hatte noch
niemals ein so schönes Gebäude gesehen. Leute gingen dort aus und ein,
und eines Tages stand die Thür offen. Ich schlich dorthin und sah die
Wände mit Bildern von Königen und Kaisern bedeckt, und vor den Fenstern
waren rote Gardinen mit Franzen daran -- nun wissen Sie, was ich meine.
Ich -- (er nimmt einen Fliederzweig und hält ihn dem Fräulein unter die
Nase) -- ich war niemals im Schlosse gewesen, hatte niemals etwas
anderes, als die Kirche gesehen -- aber dies hier war viel schöner; und
wo meine Gedanken auch hineilten, immer kehrten sie dorthin zurück. Und
dann allmählich erhob sich in mir die Sehnsucht, einmal die ganze
Herrlichkeit kennen zu lernen -- enfin, ich schlich mich hinein, sah und
bewunderte. Aber dann kam jemand! Für die Herrschaft gab es zwar nur
einen Ausgang, aber ich fand noch einen andern, und ich hatte weiter
keine Wahl!

_Julie_ (welche den Fliederzweig genommen hatte, läßt ihn auf den Tisch
fallen).

_Jean._ So sprang ich denn und stürzte durch eine Himbeerhecke, rutschte
über ein Gartenbeet hinweg und kam auf die Rosenterrasse. Dort erblickte
ich ein helles Kleid und ein paar weiße Strümpfe -- das waren Sie. Ich
legte mich unter einen Haufen Unkraut, -- _darunter_, können Sie sich
das denken? -- unter Disteln, die mich stachen, und nasse Erde, welche
stank. Und ich schaute nach Ihnen, während Sie zwischen den Rosen
dahinschritten, und ich dachte: wenn es wahr ist, daß ein Mörder ins
Himmelreich kommen kann und bei den Engeln bleiben, so ist es sonderbar,
daß ein Kätnersjunge hier auf Gottes Erde nicht soll in einen Schloßpark
kommen und mit des Grafen Tochter spielen können.

_Julie_ (elegisch). Glauben Sie, daß alle armen Kinder in diesem Fall
denselben Gedanken gehabt hätten.

_Jean_ (erst zögernd, dann in überzeugtem Ton). Ob alle armen -- ja --
natürlich! Ganz gewiß!

_Julie._ Es muß ein grenzenloses Unglück sein, arm zu sein.

_Jean_ (mit tiefem Schmerz, stark auftragend). Ach, Fräulein Julie! Ach!
Ein Hund kann auf dem gräflichen Sofa liegen, ein Pferd kann von einer
Damenhand auf die Schnauze geklopft werden, aber ein Junge -- (in
verändertem Ton.) Ja, ja, bei einem Einzelnen ist wohl genug Stoff
vorhanden, um in der Welt emporzukommen, aber wie oft ist das der Fall!
Indessen wissen Sie, was ich that? Ich sprang in Kleidern in den
Mühlbach hinunter; wurde aber herausgezogen und bekam Prügel. Am
nächsten Sonntag aber, als Vater und Alle im Hause zu Großmutter fuhren,
wußte ich es so einzurichten, daß ich zu Hause blieb. Und dann wusch ich
mich mit Seife und warmem Wasser, legte meine besten Kleider an und ging
zur Kirche, wo ich Sie zu sehen bekommen konnte! Ich sah Sie und ging
nach Hause, entschlossen zu sterben; aber ich wollte schön und angenehm
sterben, ohne Schmerzen. Und da besann ich mich, daß es gefährlich wäre,
unter einem Fliederbusch zu schlafen. Wir hatten einen solchen, welcher
gerade in Blüte stand. Ich pflückte alle Blüten ab, die er besaß, und
bettete mich dann im Haferkasten. Haben Sie bemerkt, wie glatt der Hafer
ist? weich für die Hand, wie Menschenhaut. Dann schloß ich den Deckel,
druselte ein, schlief schließlich ganz fest und erwachte wirklich sehr
krank. Aber ich starb doch nicht, wie Sie sehen. Was ich wollte -- ich
weiß es nicht! Sie zu gewinnen, war ja keine Möglichkeit vorhanden --
aber Sie waren für mich ein Beweis dafür, wie hoffnungslos es für mich
sei, aus dem Kreise emporzukommen, in dem ich geboren.

_Julie._ Sie erzählen scharmant, wissen Sie! Sind Sie in die Schule
gegangen?

_Jean._ Ein wenig; aber ich habe viel Romane gelesen und bin viel im
Theater gewesen. Außerdem habe ich feine Leute reden hören, und von
ihnen habe ich am meisten gelernt.

_Julie._ Horchen Sie denn auf das, was wir sagen?

_Jean._ Ja, gewiß! Und ich habe vieles gehört, wenn ich auf dem
Kutscherbock gesessen oder das Boot gerudert habe. Einmal hörte ich
Fräulein Julie und eine Freundin --

_Julie._ So? Was hörten Sie denn?

_Jean._ Ja, das kann ich nun nicht so sagen; aber ich war wahrlich ein
wenig erstaunt und verstand nicht, woher Sie all' die Worte gelernt
haben. Vielleicht ist im Grunde genommen kein so großer Unterschied
zwischen Menschen und Menschen, wie man glaubt!

_Julie._ Ach, schämen Sie sich! Wir leben doch nicht, wie ihr, wenn wir
einen Liebsten haben.

_Jean_ (fixiert sie). Ist das so sicher? Ja, meinetwegen brauchen sich
das Fräulein nicht so unschuldig anzustellen --

_Julie._ Es war ein Schuft, dem ich meine Liebe schenkte.

_Jean._ Das sagen die Mädchen immer -- hinterher.

_Julie._ Immer?

_Jean._ Ich glaube immer, da ich den Ausdruck schon mehrmals früher in
solchen Fällen gehört habe.

_Julie._ Was für Fälle?

_Jean._ Wie der eben erwähnte. Das letzte Mal --

_Julie._ Still, ich will nichts mehr hören --

_Jean._ Das wollte _sie_ auch nicht -- es ist merkwürdig. Na, dann bitte
ich zu Bett gehen zu dürfen.

_Julie_ (scharf). In der Johannisnacht schlafen gehen.

_Jean._ Ja! mit dem Pack da draußen zu tanzen, das amüsiert mich
wirklich nicht.

_Julie._ Nehmen Sie den Schlüssel zum Boot und rudern Sie mich auf den
See hinaus; ich will den Sonnenaufgang sehen.

_Jean._ Ist das vernünftig?

_Julie._ Es hat den Anschein, als wären Sie um Ihren Ruf besorgt!

_Jean._ Warum nicht? Ich möchte nicht gern lächerlich werden, ich möchte
nicht gern ohne Empfehlung fortgejagt sein, wenn ich mich etablieren
will. Und mir scheint, ich habe gewisse Verpflichtungen gegen Christine.

_Julie._ Ja so, nun ist es wieder Christine --

_Jean._ Ja, aber auch Ihretwegen. Hören Sie meinen Rat und gehen Sie
hinauf und legen Sie sich zu Bett.

_Julie._ Soll ich Ihnen etwa gehorchen?

_Jean._ Dieses eine Mal, um Ihrer selbst willen! Ich bitte Sie! Es ist
spät in der Nacht, der Schlaf macht trunken, und der Kopf wird heiß!
Gehen Sie zur Ruhe! Übrigens -- wenn ich recht höre -- kommen die Leute
hierher, um mich zu suchen! Und findet man uns hier, so sind Sie
verloren!

_Chor_ (der von fern hörbar ist und sich nähert).

  Sie gefällt mir aus der Maßen,
  Das schöne Fräuelein,
  Ich kann's nicht unterlassen,
  Ich muß ihr Diener sein,
  Denn sie erfreut mein Herz!
  Tiritidi--ralla, Tiritidi--ra!

  Und nun ist mir gelungen,
  Wonach ich hab' getracht.
  All' Freier sind verdrungen,
  Hab' sie in Lieb gebracht,
  Das schöne Fräuelein
  Tiritidi--ralla--la--la!

_Julie._ Ich kenne unsere Leute und ich liebe sie, gleich wie sie mich
gern haben. Laß sie nur kommen, dann werden Sie sehen!

_Jean._ Nein, Fräulein Julie, die Leute lieben Sie nicht. Sie essen Ihr
Brot, aber sie verspotten Sie hinterher. Glauben Sie mir! Hören Sie,
hören Sie nur, was sie singen! -- Oder nein, hören Sie lieber nicht hin!

_Julie_ (lauscht). Was singen sie?

_Jean._ Es ist ein Spottgedicht! Von Ihnen und von mir!

_Julie._ Abscheulich! O pfui! Und so hinterlistig --

_Jean._ Das Pack ist immer feig! Und in _dem_ Kampfe kann man nichts
thun, als fliehen!

_Julie._ Fliehen? Aber wohin? Hinaus können wir nicht. Und zu Christine
hineingehen können wir auch nicht!

_Jean._ Also denn in mein Zimmer hinein! Not hat kein Gebot; und mir
können Sie trauen, denn ich bin Ihr wirklicher, aufrichtiger und
ehrfurchtsvoller Freund!

_Julie._ Aber bedenken Sie! -- Wenn man Sie nun dort sucht?

_Jean._ Ich verriegle die Thür, und will man hineinbrechen, so schieße
ich! -- Kommen Sie! (Knieend.) Kommen Sie!

_Julie_ (bedeutungsvoll). Geloben Sie mir --

_Jean._ Ich schwöre!

_Julie_ (eilig links ab).

_Jean_ (folgt ihr erregt).


Stumme Scene.

  _Brautleute_ in Feiertagskleidung, mit Blumen an den Hüten, ein
  _Violinspieler_ an der Spitze, kommen durch die Glasthüre. Ein Faß
  Dünnbier und ein Fäßchen Branntwein, mit Laub umwunden, werden auf
  den Tisch rechts gelegt; man nimmt Gläser hervor. Alsdann wird
  getrunken. Dann wird ein Ring gebildet und das Tanzspiel gesungen
  und getanzt. Hiernach ziehen sie wieder singend durch die Glasthür
  ab.


_Julie_ (kommt von links allein zurück, sieht die Unordnung in der Küche
und schlägt die Hände zusammen; dann nimmt sie eine Puderquaste vor und
pudert ihr Gesicht).

_Jean_ (kommt dem Fräulein von links nach, exaltiert). Da sehen Sie! Sie
haben nun selbst gehört! Halten Sie es für möglich, hier zu bleiben?

_Julie._ Nein! Das thue ich nicht mehr! Aber was sollen wir denn machen?

_Jean._ Fliehen, reisen, weit von hier fort!

_Julie._ Reisen? Ja, aber wohin?

_Jean._ Nach der Schweiz, nach den italienischen Seen; dort sind Sie
noch niemals gewesen?

_Julie._ Nein! Ist es schön dort?

_Jean._ O ein ewiger Sommer, Orangen, Lorbeeren! Ach!

_Julie._ Aber was sollen wir dort denn nachher anfangen?

_Jean._ Dort errichten wir ein Hotel ersten Ranges mit Gästen ersten
Ranges.

_Julie._ Ein Hotel?

_Jean._ Das ist ein Leben, können Sie mir glauben; unaufhörlich neue
Ansichten, neue Sprachen; nicht eine Minute Zeit zum Grübeln oder
Träumen; kein Suchen nach Beschäftigung, denn die Arbeit kommt von
selbst: Tag und Nacht schellt die Glocke, pfeift der Zug, kommt und geht
der Omnibus, während die Goldstücke im Kontor rollen! Das ist ein Leben!

_Julie._ Ja, das heißt leben! Und ich?

_Jean._ Die Herrin des Hauses; die Zierde der Firma. Mit Ihrem Aussehen
-- und Ihrem Benehmen -- o -- der Erfolg ist sicher! Kolossal! Sie
sitzen wie eine Königin im Kontor und setzen die Sklaven in Bewegung mit
einem Druck auf die elektrische Glocke; die Gäste defilieren an Ihrem
Thron vorbei und legen demütig ihre Schätze auf Ihren Tisch. Sie können
sich gar nicht denken, wie die Menschen zittern, wenn sie eine Rechnung
in die Hand bekommen -- ich werde die Noten pfeffern, und Sie müssen sie
mit Ihrem süßesten Lächeln bezuckern. Ach! Lassen Sie uns von hier fort
reisen! (Er nimmt einen Fahrplan aus der Tasche.) Gleich mit dem
nächsten Zug! wir sind um sechs Uhr dreißig in Malmö, in Hamburg um acht
Uhr vierzig morgen früh; Frankfurt -- Basel ein Tag, und in Como, mit
der Gotthardtbahn in -- sehen wir -- drei Tagen. Nur drei Tage!

_Julie._ Das ist alles sehr schön! Aber Jean -- du mußt mir Mut geben!
Sage mir, daß du mich liebst! Komm und umarme mich!

_Jean_ (zögernd). Ich möchte -- aber ich wage es nicht. Nicht hier im
Hause. Ich liebe Sie -- zweifellos -- können Sie überhaupt daran
zweifeln?

_Julie_ (mit echt weiblicher Scham). Sie! Sage du! Zwischen uns giebt es
keine Schranken mehr! Sage du!

_Jean_ (in gequältem Ton). Ich kann nicht! Noch giebt es Schranken
zwischen uns, solange wir in diesem Hause weilen -- da ist die
Vergangenheit -- da ist der Herr Graf; ich bin niemals mit einem
Menschen zusammengetroffen, vor dem ich soviel Respekt hatte -- ich
brauche nur seine Handschuhe auf einem Stuhl liegen zu sehen, dann komme
ich mir gleich ganz klein vor -- ich brauche nur die Glocke da oben zu
hören, dann fahre ich zusammen, wie ein scheues Pferd -- und wenn ich
nun seine Stiefel da stehen sehe, so stolz und gerade, dann packt es
mich im Rücken! (Er stößt die Stiefel mit dem Fuß weiter.) Aberglaube,
Vorurteil, das man uns von Kindheit an eingepfropft hat, das man aber
niemals loswerden kann. Kommen Sie nur in ein anderes Land, in eine
Republik, und man soll auf den Knieen liegen vor der Livree meines
Portiers -- auf den Knieen _soll_ man liegen, Sie werden sehen! aber
nicht ich! Ich bin nicht dazu geboren, auf den Knieen zu liegen, denn es
ist Stoff in mir, Charakter, und habe ich nur erst den ersten Zweig
erreicht, dann sollen Sie mich klettern sehen! Ich bin heute Bedienter,
aber nächstes Jahr bin ich Proprietär, in zehn Jahren Rentier, und dann
reise ich nach Rumänien und lasse mich dekorieren, und kann -- merken
Sie wohl, ich sage kann -- als Graf enden.

_Julie._ Gut, gut.

_Jean._ Ah, in Rumänien kauft man sich den Grafentitel, und dann werden
Sie doch eine Gräfin! Meine Gräfin!

_Julie._ Was mache ich mir aus all' dem, was ich nun von mir werfe!
Sage, daß du mich liebst, sonst -- ja, was bin ich sonst?

_Jean._ Ich werde es sagen, tausendmal -- später! Nur nicht hier! Und
vor allem keine Empfindsamkeit, wenn nicht alles verloren sein soll! Wir
müssen die Sache ruhig auffassen, als kluge Menschen. (Er nimmt eine
Cigarre vor, schneidet die Spitze ab und zündet sie an.) Setzen Sie sich
nun da hin. Dann setze ich mich hierher, und dann plaudern wir, als wenn
nichts geschehen wäre.

_Julie._ O mein Gott! Haben Sie denn kein Gefühl?

_Jean._ Ich! Es giebt keinen gefühlvolleren Menschen, wie mich; aber ich
kann mich beherrschen.

_Julie._ Vor kurzem konnten Sie meinen Schuh küssen -- und nun?

_Jean_ (hart). Ja, vorher! Nun haben wir an anderes zu denken.

_Julie._ Sprechen Sie nicht hart zu mir!

_Jean._ Nein, aber klug! Eine Thorheit ist begangen, begehen wir nicht
mehrere! Der Graf kann jeden Augenblick hier sein, und unser Schicksal
muß vorher entschieden sein. Was halten Sie von meinen Plänen für die
Zukunft? Sagen sie Ihnen zu?

_Julie._ Sie scheinen mir ganz annehmbar, aber eine Frage: zu einem so
großen Unternehmen gehört ein großes Kapital; haben Sie das?

_Jean_ (raucht). Ich! Ja gewiß! Ich habe meine Fachkenntnisse, meine
seltene Erfahrung, meine Sprachkenntnisse! Das ist ein Kapital, welches
etwas wert ist, scheint mir!

_Julie._ Aber dafür können wir nicht einmal ein Eisenbahnbillet kaufen.

_Jean._ Das ist wohl wahr; aber deshalb suche ich einen Menschen, der
die Fonds vorstrecken kann.

_Julie._ Wo finden Sie den in der Eile?

_Jean._ Den werden _Sie_ finden, wenn Sie mein Compagnon werden.

_Julie._ Das kann ich nicht, und ich selbst besitze nichts.

  (Pause.)

_Jean._ Dann fällt die ganze Sache in sich zusammen --

_Julie._ Und --?

_Jean._ Es bleibt, wie es ist!

_Julie._ Glauben Sie, ich weile unter diesem Dache noch länger als Ihre
Maitresse? Glauben Sie, ich will die Leute mit Fingern auf mich zeigen
lassen; denken Sie, ich kann hiernach meinem Vater ins Gesicht sehen?
Nein! Führen Sie mich fort von hier, von Erniedrigung und Entehrung!
O mein Gott, was habe ich gethan! O mein Gott, mein Gott! (Sie weint.)

_Jean._ Aha, nun fängt es auf die Art an! -- Was Sie gethan haben?
Dasselbe, wie tausend andere vor Ihnen!

_Julie_ (schreit wie in einem Krampfanfall). Und nun verachten Sie mich!
Ich falle, ich falle!

_Jean._ Fallen Sie nieder zu mir, dann werde ich Sie später emporheben.

_Julie._ Welche entsetzliche Macht zog mich zu Ihnen herab? Die, welche
den Schwachen zum Starken hinzieht? Den Fallenden zum Steigenden? Oder
war es Liebe? Liebe -- dieses? Wissen Sie, was Liebe ist?

_Jean._ Ich? Ja, das sollte ich meinen? Glauben Sie, ich hätte sie nicht
schon früher empfunden?

_Julie._ Welche Sprache Sie reden! Und welche Gedanken Sie denken!

_Jean._ So habe ich es gelernt; und so bin ich! Seien Sie nun nicht
nervös und spielen Sie nicht die feine Dame, wir haben uns eine Suppe
eingebrockt, die wir ausessen müssen! -- Na sieh, mein Mädel, komm, ich
will dir ein Glas extra geben. (Er öffnet die Tischschublade, nimmt die
Weinflasche heraus und füllt zwei der gebrauchten Gläser.)

_Julie._ Von wo haben Sie den Wein her?

_Jean._ Aus dem Keller!

_Julie._ Meines Vaters Burgunder!

_Jean._ Ist er vielleicht zu gut für den Schwiegersohn?

_Julie._ Und ich trinke Bier!

_Jean._ Das beweist nur, daß Sie einen schlechteren Geschmack haben, als
ich.

_Julie._ Dieb!

_Jean._ Wollen Sie etwa ausplaudern?

_Julie._ O, o! Die Mitschuldige eines Hausdiebes! Bin ich heute Nacht
betrunken gewesen und habe im Traum gehandelt? Johannisnacht? Das Fest
unschuldiger Freuden --

_Jean._ Unschuldiger -- hm!

_Julie_ (geht auf und ab). Giebt es in diesem Augenblick einen Menschen
auf Erden, der so unglücklich ist, wie ich?

_Jean._ Warum sind Sie es? Nach einer solchen Eroberung! Denken Sie an
Christine dort drinnen! Glauben Sie, daß sie nicht auch Gefühl hat?

_Julie._ Ich glaubte es früher, aber jetzt glaube ich es nicht mehr.
Nein, Knecht ist Knecht --

_Jean._ Und Dirne ist Dirne!

_Julie_ (auf den Knieen, mit gefalteten Händen). O Gott im Himmel, nimm
mein erbärmliches Leben von mir! Nimm mich von diesem Schmutz, in dem
ich versinke! Rette mich! Rette mich!

_Jean._ Ich kann nicht leugnen, daß Sie mir leid thun! Damals, als ich
im Zwiebelbeet lag und Sie im Rosengarten sah, da -- nun werde ich es
Ihnen sagen -- da hatte ich dieselben schmutzigen Gedanken, wie alle
Jungen.

_Julie._ Und doch wollten Sie für mich sterben!

_Jean._ Im Haferkasten? Das war nur leeres Geschwätz.

_Julie._ Also Lüge?

_Jean_ (beginnt schläfrig zu werden). Nahezu! Die Geschichte habe ich
einmal in einer Zeitung gelesen, von einem Schornsteinfeger, der sich in
einen Kasten mit Flieder legte, weil er zum Alimentationsbeitrag
verurteilt wurde.

_Julie._ Ja, also so sind Sie --

_Jean._ Was sollte ich sonst erfinden; man muß die Frauenzimmer ja immer
mit Schmeicheleien fangen!

_Julie._ Schuft!

_Jean._ Dirne!

_Julie._ Und ich sollte der erste Zweig werden --

_Jean._ Aber der Zweig war morsch.

_Julie._ Ich sollte das Aushängeschild des Hotels werden --

_Jean._ Und ich das Hotel.

_Julie._ In Ihrem Kontor sitzen, Ihre Kunden anlocken, Ihre Rechnungen
fälschen --

_Jean._ Das würde ich selbst besorgen --

_Julie._ Daß eine Menschenseele so durch und durch schmutzig sein kann!

_Jean._ Waschen Sie sie doch rein!

_Julie._ Lakai! Domestik! Steh auf, wenn ich rede!

_Jean._ Domestikendirne halte den Mund und geh von hier fort. Willst du
herkommen und mir vorwerfen, ich sei roh? So gemein, wie du dich heute
Abend aufgeführt hast, hat sich niemals einer meinesgleichen benommen.
Glaubst du, ein einfaches Mädchen berührt Männer so, wie du? Hast du je
ein Mädchen meines Standes sich so anbieten gesehen?

_Julie_ (zerknirscht). So ist's recht; schlage mich; trete mich nieder;
ich habe es nicht besser verdient! Ich bin eine Elende; aber hilf mir!
Hilf mir weiter, wenn eine Möglichkeit vorhanden ist!

_Jean_ (sanfter). Ich will nicht auf meinen Anteil an der Ehre, Sie
verführt zu haben, verzichten; aber glauben Sie, daß eine Person in
meiner Stellung gewagt haben würde, die Augen zu Ihnen zu erheben, wenn
Sie nicht selbst dazu aufgefordert hätten! Ich bin noch ganz
verblüfft --

_Julie._ Und stolz --

_Jean._ Warum nicht? Obschon ich bekennen muß, daß der Sieg mir zu
leicht war, um eigentlich einen Rausch geben zu können.

_Julie._ Schlagen Sie mich nur noch mehr!

_Jean_ (steht auf). Nein, verzeihen Sie mir lieber das, was ich schon
gesagt habe! Ich schlage keinen Wehrlosen und am wenigsten ein
Frauenzimmer. Ich kann nicht leugnen, daß es mich einerseits freut,
gesehen zu haben, daß es nur Katzengold war, was uns dort unten
blendete; gesehen zu haben, daß der Rücken des Habichts auch nur grau
ist, daß auf der zarten Wange Puder war, und daß die geschliffenen Nägel
schwarze Ränder haben können, daß das Taschentuch schmutzig war, wenn es
auch nach Parfüm duftete --! Aber es peinigt mich andererseits, gesehen
zu haben, daß das, wonach ich strebte, nichts Höheres, Solideres war;
es peinigt mich, Sie so tief gesunken zu sehen, daß Sie weit unter Ihrer
Köchin stehen: es peinigt mich zu sehen, wie die Herbstblumen von dem
Regen zerschlagen und in Schmutz verwandelt werden.

_Julie._ Sie reden, als wenn Sie bereits über mir ständen.

_Jean._ Das thue ich auch: Sehen Sie, ich könnte Sie in eine Gräfin
verwandeln, aber Sie können mich niemals zum Grafen machen.

_Julie._ Aber ich bin von einem Grafen gezeugt, und das können Sie
niemals werden.

_Jean._ Das ist wahr: aber ich könnte selbst Grafen erzeugen, wenn --

_Julie._ Aber Sie sind ein Dieb, und das bin ich nicht.

_Jean._ Dieb ist nicht das Schlimmste! Es giebt schlimmere Dinge. Und
übrigens: wenn ich in einem Hause diene, betrachte ich mich
gewissermaßen als Mitglied der Familie, als Kind des Hauses, und man
sieht es nicht für Diebstahl an, wenn das Kind eine Beere von einem
vollen Strauch pflückt. (Seine Leidenschaft erwacht wieder von neuem.)
Fräulein Julie, Sie sind ein herrliches Weib, allzu gut für einen
Menschen wie mich! Sie sind die Beute eines Rausches gewesen, und Sie
wollen den Fehler dadurch verdecken, daß Sie sich einbilden, Sie lieben
mich! Das thun Sie aber nicht, es sei denn, daß Sie vielleicht nur mein
Äußeres verlockt -- und dann ist Ihre Liebe nicht besser, als die
meinige; aber ich kann mich niemals damit begnügen, für Sie ein bloßes
Tier zu sein, und Ihre Liebe kann ich nicht erringen.

_Julie._ Sind Sie dessen so sicher?

_Jean._ Sie meinen, es könnte geschehen! Ich könnte Sie lieben, ja,
zweifellos: Sie sind schön, Sie sind fein, (er nähert sich ihr und faßt
ihre Hand) gebildet, liebenswürdig, wenn Sie wollen, und wenn Sie die
Begier eines Mannes erregt haben, erlischt dieselbe wahrscheinlich
niemals. (Er umfaßt sie.) Sie sind wie glühender Wein mit starken
Kräutern, und ein Kuß von Ihnen -- (er versucht sie nach links
hinauszuführen; aber sie ringt sich los).

_Julie._ Lassen Sie mich los! So gewinnen Sie mich nicht!

_Jean._ _Wie_ denn? -- Nicht so! Nicht mit Liebkosungen und schönen
Worten; nicht mit Umsicht für die Zukunft, Rettung vor Schande! _Wie_
denn?

_Julie._ Wie? Wie? Ich weiß nicht! Überhaupt nicht. Ich verabscheue Sie,
wie die Ratten, aber ich kann nicht ohne Sie sein.

_Jean._ Fliehen Sie mit mir!

_Julie_ (macht sich an ihrem Anzug zu schaffen). Fliehen? Ja gewiß
werden wir fliehen! Aber ich bin so müde! Geben Sie mir ein Glas Wein.

_Jean_ (gießt ein).

_Julie_ (sieht nach der Uhr). Aber erst müssen wir reden; wir haben noch
ein wenig Zeit übrig. (Sie trinkt das Glas aus und reicht es nach mehr
dar.)

_Jean._ Trinken Sie nicht so unmäßig, Sie werden berauscht.

_Julie._ Was thut es?

_Jean._ Was es thut? Es ist gemein, sich zu betrinken. Was wollen Sie
mir also sagen?

_Julie._ Wir werden fliehen! Aber erst wollen wir reden; daß heißt, ich
werde reden, denn bisher haben Sie nur allein gesprochen. Sie haben Ihr
Leben erzählt, nun will ich das meinige erzählen, dann kennen wir
einander gründlich, bevor wir die gemeinschaftliche Wanderung antreten.

_Jean._ Einen Augenblick! Verzeihen Sie! Denken Sie nach, ob Sie es
nicht hernach bereuen werden, wenn Sie mir die Geheimnisse Ihres Lebens
preisgegeben haben!

_Julie._ Sind Sie nicht mein Freund?

_Jean._ Ja, bisweilen! Aber trauen Sie mir nicht!

_Julie._ Das sagen Sie nur so. Und übrigens: meine Geheimnisse kennt
jedermann. Sehen Sie, meine Mutter war nicht von adliger, sondern von
ganz einfacher Herkunft. Sie war in den Lehren ihrer Zeit von Gleichheit
und Freiheit des Weibes und all' dem erzogen; und sie hatte eine
entschiedene Abneigung gegen die Ehe. Als daher mein Vater um sie
freite, antwortete sie, sie würde niemals seine Gattin werden wollen,
aber -- dann wurde sie es doch. Ich kam zur Welt -- gegen den Wunsch
meiner Mutter, soweit ich verstehen konnte. Nun sollte ich von meiner
Mutter zu einem Naturkind erzogen werden und zudem sollte ich alles
lernen dürfen, was ein Junge zu lernen bekommt, damit ich ein Beispiel
liefern könnte dafür, daß das Weib ebenso gut wäre, wie der Mann. Ich
durfte in Jungenkleidern gehen, lernte Pferde warten; durfte aber nicht
in die Meierei gehen; ich mußte Pferde striegeln und anschirren und auf
die Jagd gehen, ja ab und zu durfte ich sogar versuchen, Feldarbeit zu
erlernen. Und auf dem Hofe wurde den Männern Weiberarbeit, und den
Weibern Männerarbeit übertragen -- mit dem Erfolg, daß das Besitztum
anfing herunterzukommen, und wir zum Gelächter der ganzen Gegend wurden.
Schließlich muß mein Vater aus seiner Verzauberung erwacht sein und
revoltiert haben, denn es wurde alles nach seinen Wünschen umgeändert.
Meine Mutter wurde krank -- was für eine Krankheit weiß ich nicht --
aber sie litt oft an Krämpfen, versteckte sich auf dem Boden und im
Garten und blieb die ganze Nacht im Freien. Dann kam die große
Feuersbrunst, von der Sie wohl reden gehört haben. Haus,
Wirtschaftsgebäude und Ställe brannten ab und zwar unter Umständen, die
eine Brandstiftung vermuten ließen, denn das Unglück geschah am Tage
nach dem Ablauf des Versicherungsquartals, und die Prämie, die mein
Vater einsandte, wurde durch die Nachlässigkeit des Boten aufgehalten,
sodaß sie nicht zur Zeit hingelangte. (Sie füllt das Glas und trinkt.)

_Jean._ Trinken Sie nicht mehr!

_Julie._ Ach, was macht das! Wir waren obdachlos und mußten im Wagen
schlafen. Mein Vater wußte nicht, wo er zum Wiederaufbau des Hauses Geld
hernehmen sollte. Da giebt Mutter ihm den Rat, einen ihrer
Jugendfreunde, einen Ziegelfabrikanten hier in der Nähe, um ein Darlehn
anzugehen. Vater erhielt das Darlehn, sollte aber keine Zinsen bezahlen,
was ihn in Erstaunen versetzte. Und dann wurde der Hof aufgebaut! (Sie
trinkt wieder.) Wissen Sie, wer den Hof angesteckt hatte?

_Jean._ Ihre Frau Mutter.

_Julie._ Wissen Sie, was der Ziegelfabrikant war?

_Jean._ Der Liebhaber Ihrer Mutter.

_Julie._ Wissen Sie, wem das Geld gehörte?

_Jean._ Warten Sie ein wenig -- nein, das weiß ich nicht.

_Julie._ Meiner Mutter.

_Jean._ Dem Grafen also, wenn sie nicht in getrennten Gütern lebten?

_Julie._ Das thaten sie nicht! Meine Mutter hatte ein kleines Vermögen,
welches sie nicht durch meinen Vater verwalten lassen wollte, und darum
deponierte sie es bei -- dem Freunde.

_Jean._ Der es unterschlug!

_Julie._ Ganz richtig! Er behielt es! Dies alles kommt meinem Vater zu
Ohren; er konnte aber nicht prozessieren, den Liebhaber seiner Gattin
nicht bezahlen, nicht beweisen, daß es das Geld seiner Frau war. Das war
die Rache meiner Mutter dafür, daß er die Gewalt im Hause an sich riß.
Damals hatte er die Absicht, sich zu erschießen! Es ging das Gerücht,
daß er es hätte thun wollen, und daß es mißglückt wäre! Er blieb also am
Leben, und meine Mutter mußte ihre Thaten entgelten! Das war eine böse
Zeit für mich, können Sie sich denken. Ich sympathisierte mit meinem
Vater, aber ich ergriff doch die Partei meiner Mutter, da ich nicht die
Verhältnisse kannte. Von ihr hatte ich Mißtrauen und Haß gegen die
Männer erlernt -- denn sie haßte die Männer, so weit ich gehört habe --
und ich schwor ihr, niemals die Sklavin eines Mannes zu werden.

_Jean._ Und dann verlobten Sie sich mit dem Kronvogt.

_Julie._ Gerade deshalb, daß er mein Sklave werden sollte.

_Jean._ Und das wollte er nicht?

_Julie._ Er wollte wohl, aber es kam nicht dazu! Ich wurde seiner
überdrüssig.

_Jean._ Ich sah es -- im Stall.

_Julie._ Was sahen Sie?

_Jean._ Ich sah, wie er die Verlobung aufhob.

_Julie._ Das ist gelogen! Ich war es, die die Verlobung aufhob. Hat er
gesagt, daß er es that, der Schuft?

_Jean._ Er war wohl kein Schuft! Sie hassen die Männer, Fräulein?

_Julie._ Ja! -- Meistens! Aber bisweilen, wenn die Schwachheit kommt --
o pfui!

_Jean._ So hassen Sie auch mich?

_Julie._ Grenzenlos! Ich könnte Sie töten lassen wie ein Tier --

_Jean._ Der Übelthäter wird zur Strafarbeit verurteilt, das Tier aber
getötet!

_Julie._ Ganz recht!

_Jean._ Aber nun ist hier kein Tier -- und auch kein Ankläger. Was
wollen wir nun thun?

_Julie._ Reisen!

_Jean._ Um einander zu Tode zu quälen?

_Julie._ Nein -- um zwei, drei Jahre, oder so lange man kann, zu
genießen -- und dann zu sterben.

_Jean._ Sterben? So dumm! Da halte ich es für besser, ein Hotel zu
errichten!

_Julie_ (ohne auf Jean zu hören). Am Comersee, wo ewig die Sonne
scheint, wo die Lorbeerbäume zur Weihnachtszeit grünen und die Orangen
glühen.

_Jean._ Der Comersee ist ein Regenloch, und ich sah dort nirgend
Orangen, als bei den Obsthändlern; aber es ist ein guter Fremdenort,
denn es giebt dort viele Villen, die an verliebte Paare vermietet
werden, und das ist eine sehr einträgliche Industrie, wissen Sie warum?
Sie machen Kontrakt auf ein halbes Jahr -- und reisen bereits nach drei
Wochen.

_Julie_ (naiv). Warum nach drei Wochen?

_Jean._ Sie erzürnen sich natürlich! aber die Miete muß trotzdem bezahlt
werden! Und dann vermietet man wieder. Und so geht es einmal nach dem
andern, denn Liebe giebt es bis in alle Ewigkeit -- wenn sie auch nicht
so lange währt.

_Julie._ Sie wollen nicht mit mir sterben?

_Jean._ Ich will überhaupt noch nicht sterben! Einmal, weil mir das
Leben noch gefällt, und dann, weil ich den Selbstmord für ein Verbrechen
gegen die Vorsehung ansehe, die uns das Leben geschenkt hat.

_Julie._ Sie glauben an Gott -- _Sie_?

_Jean._ Ja, gewiß thue ich das? Und ich gehe jeden andern Sonntag in die
Kirche. Aufrichtig gesprochen, bin ich dessen hier jetzt müde und gehe
nun zu Bett.

_Julie._ Ja so, und Sie glauben, daß ich mir damit genügen lasse? Wissen
Sie, was ein Mann einer Frau schuldig ist, die er entehrt hat?

_Jean_ (nimmt sein Portemonnaie hervor und wirft eine Silbermünze auf
den Tisch). Seien Sie so gut! Ich will nichts schuldig sein!

_Julie_ (thut, als wenn sie seinen Schimpf nicht bemerkt). Wissen Sie,
was das Gesetz bestimmt?

_Jean._ Leider kennt das Gesetz keine Strafe für das Weib, das einen
Mann verführt.

_Julie_ (wie vorher). Sehen Sie einen andern Ausweg als den, daß wir
reisen, uns trauen und wieder scheiden lassen?

_Jean._ Und wenn ich mich weigere, die Mesalliance einzugehen?

_Julie._ Mesalliance?

_Jean._ Ja, für mich! Sehen Sie, ich habe feinere Ahnen als Sie, denn
ich habe keine Mordbrenner in meinem Geschlecht!

_Julie._ Können Sie das wissen?

_Jean._ Sie können jedenfalls nicht das Gegenteil beweisen, denn wir
haben keine andern Stammtafeln -- als auf der Polizei! Aber von Ihrem
Stammbaum habe ich in einem Buch auf dem Salontisch gelesen. Wissen Sie,
was Ihr Stammvater war? Ein Müller, bei dessen Frau der König während
des dänischen Krieges eine Nacht verbrachte. Solche Ahnen habe ich
nicht! Ich habe überhaupt keine Ahnen, aber ich kann selbst einer
werden.

_Julie._ Das habe ich davon, daß ich mein Herz einem Unwürdigen
geöffnet, daß ich meine Familienehre preisgegeben habe --

_Jean._ Familienschande wollen Sie sagen! Ja, sehen Sie, das sagte ich
Ihnen ja! man soll nicht trinken, denn dann schwatzt man! Und man _soll_
nicht schwatzen!

_Julie._ O wie ich es bereue, wie ich es bereue! Und wenn Sie mich
wenigstens liebten!

_Jean._ Zum letztenmal -- was wollen Sie? Soll ich weinen, soll ich über
die Reitpeitsche springen, soll ich Sie küssen, auf drei Wochen an den
Comersee locken, und dann -- was soll ich? Was wollen Sie? Es fängt an
peinlich zu werden. Aber das kommt davon, wenn man seine Nase in
Frauenzimmerangelegenheiten hineinsteckt! Fräulein Julie! Ich sehe, daß
Sie unglücklich sind, ich weiß, daß Sie leiden, aber ich kann Sie nicht
verstehen. Wir machen nicht solche Geschichten; wir kennen keinen Haß
gegeneinander! Wir betreiben die Liebe als Spiel, wenn die Arbeit dazu
Zeit läßt; aber wir haben nicht den ganzen Tag und die ganze Nacht dafür
zur Verfügung. Ich sehe Ihnen an, Sie sind krank. Sie sind bestimmt
krank.

_Julie._ Sie müssen gut gegen mich sein, und nun reden Sie wie ein
Mensch. Helfen Sie mir, helfen Sie mir; sagen Sie mir nur, was ich thun
-- welchen Weg ich einschlagen soll?

_Jean._ In Jesu Namen, wenn ich es selbst wüßte.

_Julie._ Ich bin rasend, ich bin verrückt gewesen, aber soll es denn
keine Rettung geben?

_Jean._ Bleiben Sie und seien Sie ruhig! Niemand weiß etwas.

_Julie._ Unmöglich! Die Leute wissen es und Christine weiß es.

_Jean._ Das wissen sie nicht, und sie werden niemals etwas Derartiges
glauben.

_Julie_ (zaudernd). Aber es kann noch einmal geschehen.

_Jean._ Das ist wahr.

_Julie._ Und die Folgen?

_Jean_ (erschreckt). Die Folgen! Wo habe ich meinen Kopf gehabt, daran
nicht zu denken? Ja, dann giebt es nur eins -- fort von hier! Sogleich!
Ich begleite Sie nicht, denn dann ist alles verloren, sondern Sie müssen
allein reisen -- fort -- gleichviel wohin.

_Julie._ Allein? Wohin? Das kann ich nicht.

_Jean._ Sie müssen! Und zwar bevor der Graf zurück ist. Bleiben Sie, so
wissen Sie, was daraus wird! Hat man erst einmal gefehlt, so wird man
damit fortfahren, da der Schaden ja bereits geschehen ist. Dann wird man
dreister und dreister -- schließlich wird man entdeckt. Also reisen Sie!
Schreiben Sie später an den Grafen, und bekennen alles, außer daß ich es
war! Und das wird er nie erraten! Ich glaube auch nicht, daß ihm daran
liegen wird, es zu erfahren!

_Julie._ Ich werde reisen, wenn Sie mitkommen!

_Jean._ Sind Sie rasend, Fräulein? Sie wollen mit Ihrem Bedienten
durchbrennen? Übermorgen stände es in den Zeitungen, und das überlebte
der Graf niemals.

_Julie._ Ich kann nicht reisen! Ich kann nicht bleiben! Helfen Sie mir!
Ich bin so müde, so grenzenlos müde. -- Befehlen Sie mir! Bringen Sie
wieder Leben in mich hinein, denn ich kann nicht mehr denken und nicht
mehr handeln.

_Jean._ Sehen Sie nun, was für ein elendes Geschöpf Sie sind? Warum
blasen Sie sich auf und recken die Nase in die Luft, als wenn Sie der
Herr der Schöpfung wären? Na, dann werde ich Ihnen befehlen! Gehen Sie
und ziehen Sie sich an; versehen Sie sich mit Reisegeld und kommen Sie
dann wieder herunter!

_Julie_ (halblaut). Kommen Sie mit hinauf!

_Jean._ Auf Ihr Zimmer? Nun sind Sie wieder verrückt. (Er zögert einen
Augenblick.) Nein! Gehen Sie! Sofort! (Er faßt sie bei der Hand und
geleitet sie durch die Glasthür hinaus.)

_Julie_ (im Abgehen). Sprich doch freundlich mit mir, Jean.

_Jean._ Ein Befehl klingt immer unfreundlich! Fühlen Sie es nun selbst,
fühlen Sie es! (Beide ab.)

  _Jean_ kommt zurück, seufzt erleichtert auf, setzt sich an den Tisch
  rechts und zieht sein Notizbuch hervor; er rechnet hie und da laut;
  stummes Mienenspiel. _Christine_ kommt von rechts für den Kirchgang
  gekleidet, ein weißes Vorhemd und weißes Halstuch in der Hand.

_Christine._ Herr Jesus, wie sieht es hier aus! Was ist denn hier
geschehen?

_Jean._ Ach, das Fräulein hat die Leute hineingerufen. Hast du denn so
fest geschlafen, daß du nichts gehört hast?

_Christine._ Ich habe wie ein Stein geschlafen!

_Jean._ Und bereits für die Kirche angezogen?

_Christine._ Ja! Du hast ja versprochen, mich heute zum Abendmahl zu
begleiten!

_Jean._ Ja, das ist ja wahr! Und da hast du ja auch schon meinen Staat.
Na, komm her. (Er setzt sich rechts.)

_Christine_ (giebt ihm das weiße Vorhemd und Halstuch und ist ihm beim
Umnehmen behilflich).

  (Pause.)

_Jean_ (schläfrig). Was für ein Evangelium ist heute?

_Christine._ Es handelt wohl von der Köpfung Johannes des Täufers, denke
ich mir.

_Jean._ Das wird wohl schrecklich lange dauern! Au, du kratzt mich!
O ich bin so schläfrig, so schläfrig!

_Christine._ Ja, was hast du denn die ganze Nacht gemacht; du bist ja
ganz grün im Gesicht?

_Jean._ Ich habe hier gesessen und mit Fräulein Julie geplaudert.

_Christine._ Die weiß doch bei Gott nicht, was sich schickt.

  (Pause.)

_Jean._ Du, Christine, hör 'n mal!

_Christine._ Na?

_Jean._ Es ist doch immerhin sonderbar, wenn man darüber nachdenkt!

_Christine._ Was ist denn an ihr so sonderbar?

_Jean._ Alles.

  (Pause.)

_Christine_ (erblickt das Glas, welches halb geleert auf dem Tisch
steht). Habt ihr auch zusammen getrunken?

_Jean._ Ja.

_Christine._ Pfui! Sieh mir in die Augen!

_Jean._ Ja!

_Christine._ Ist es möglich? _Ist_ es möglich?

_Jean_ (nach kurzem Bedenken). Ja, es ist!

_Christine._ Gitsch! Das hätte ich doch niemals geglaubt. Nein, pfui!
Pfui!

_Jean._ Du bist doch wohl nicht eifersüchtig auf sie?

_Christine._ Nein, nicht auf sie! Wenn es Klara oder Sophie gewesen
wäre, ja! Das arme Mädchen! Nein, weißt du was, ich will hier nicht
länger im Hause bleiben, wenn man vor seiner Herrschaft keinen Respekt
mehr haben kann.

_Jean._ Warum soll man vor ihnen Respekt haben?

_Christine._ Ja, und das fragst du, der du so schlau bist? Aber willst
du denn Leuten dienen, die sich so unanständig aufführen? Was? Man
schändet sich selbst dabei, scheint mir.

_Jean._ Ja, aber es ist doch ein Trost für uns, daß die andern nicht
besser sind, als wir.

_Christine._ Nein, das finde ich nicht, denn wenn sie nicht besser sind,
so hat es ja keinen Wert darnach zu streben, wie die besseren Leute zu
werden. Und denke an den Grafen! Denke an ihn, der sein Leben lang
soviel Kummer gehabt hat! Nein, ich will nicht länger in diesem Hause
bleiben! Und mit so einem, wie du! Wenn es noch der Kronvogt gewesen
wäre; wenn es ein besserer Mensch gewesen wäre.

_Jean._ Was soll das heißen?

_Christine._ Ja, ja! Du bist ja auch ein ganz braver Kerl; aber es ist
doch immerhin ein Unterschied zwischen Leuten und Leuten. -- Nein, das
kann ich niemals vergessen -- das Fräulein, das so stolz war, so schroff
gegen Männer, so daß man sich gar nicht denken konnte, sie würde sich je
einem Manne hingeben -- und dann so einem! Sie, die gleich die arme
Diana totschießen lassen wollte, weil sie dem Hofhunde nachlief! Na, das
muß ich sagen! Aber hier will ich nicht länger bleiben, und zum
vierundzwanzigsten Oktober geh ich meines Wegs.

_Jean._ Und dann?

_Christine._ Ja, da wir gerade davon reden, es wäre an der Zeit, daß du
dich nach etwas anderem umsiehst, da wir uns doch verheiraten wollen.

_Jean._ Ja, wonach sollte ich mich umsehen? Eine so gute Stelle kann ich
nicht bekommen, wenn ich verheiratet bin.

_Christine._ Selbstverständlich nicht! Und du mußt wohl eine
Portierstelle annehmen, oder sehen, als Diener an einem öffentlichen
Institut Anstellung zu erhalten. Der Kronenkuchen ist knapp, aber
sicher, und dann bekommen dort Frau und Kinder Pension --

_Jean_ (mit einer Grimasse). Das ist zwar sehr nett, aber es paßt nicht
mit meiner Manier, gleich im Anfang daran zu denken, für Frau und Kind
zu sterben. Ich muß gestehen, daß ich wirklich etwas höhere Aussichten
hatte.

_Christine._ Deine Aussichten, ja! Du hast aber auch Verpflichtungen!
Denke nur an sie!

_Jean._ Du sollst mich nicht damit ärgern, daß du von Verpflichtungen
redest. Ich weiß wohl, was ich zu thun habe. (Er lauscht nach außen.)
Darüber nachzudenken haben wir indessen noch gute Zeit. Geh nun hinein
und mache dich fertig, dann gehen wir zur Kirche.

_Christine._ Wer wandert dort oben umher?

_Jean._ Ich weiß nicht, ob es nicht Klara ist.

_Christine_ (geht). Das kann doch nicht etwa gar der Graf sein, der nach
Hause gekommen ist, ohne daß ihn jemand gehört hat.

_Jean_ (ängstlich). Der Graf? Nein, das glaube ich nicht, denn dann
hätte er schon geklingelt.

_Christine._ Ja, weiß der liebe Gott! Niemals habe ich so etwas erlebt!
(Ab nach rechts.)

  Die Sonne ist inzwischen aufgegangen und beleuchtet draußen
  allmählich die Baumwipfel des Parks; der Schein rückt nach und nach
  tiefer, bis er schräg in die Fenster hineinfällt.

_Jean_ (geht zur Glasthür und macht ein Zeichen).

_Julie_ (kommt im Reiseanzug und mit einem kleinen Vogelbauer, das mit
einem Handtuch bedeckt ist und stellt es auf einen Stuhl). Nun bin ich
fertig.

_Jean._ Still! Christine ist wach!

_Julie_ (äußerst erregt während der folgenden Scene). Ahnte sie etwas?

_Jean._ Sie weiß nichts! Aber, mein Gott, wie sehen Sie aus?

_Julie._ Wie? Wie ich aussehe?

_Jean._ Sie sind blaß, wie eine Leiche und -- verzeihen Sie, aber Sie
sind schmutzig im Gesicht.

_Julie._ So geben Sie mir Waschwasser! -- So! (Sie geht zum Waschtisch
und wäscht sich Gesicht und Hände.) Geben Sie mir ein Handtuch! Ach --
die Sonne ist aufgegangen!

_Jean._ Und dann flüchtet der Zauberkobold.

_Julie._ Ja, heute Nacht ist wirklich ein Kobold in Thätigkeit gewesen!
Aber Jean, höre mich! Komme mit mir, denn nun habe ich die Mittel.

_Jean_ (zögernd). Genügend?

_Julie._ Genug für den Anfang! Komm mit mir, denn ich kann heute nicht
allein reisen. Denke, am Johannistage, in einem schwülen Zug, in eine
Masse von Leuten hineingepfropft, die einen anglotzen; auf den Stationen
warten, wenn man fliegen möchte. Nein, ich kann nicht, ich kann nicht!
und dann kommen die Erinnerungen, die Kindheitserinnerungen an die
Johannistage mit der laubgeschmückten Kirche -- Birkenlaub und Flieder;
das Mittagsmahl mit prachtvoll gedecktem Tisch, die Verwandten und
Freunde; der Nachmittag im Park, Tanz, Musik, Blumen und Spiele. Ach,
man flieht und flieht; aber im Gepäckwagen folgen die Erinnerungen, die
Reue und die Gewissensqualen nach!

_Jean._ Ich werde Sie begleiten! Aber dann fort, ehe es zu spät ist.
Jetzt auf der Stelle!

_Julie._ So machen Sie sich fertig! (Sie nimmt das Vogelbauer.)

_Jean._ Aber keine Bagage! Dann sind wir verloren.

_Julie._ Nein, nichts! Nur was man ins Coupé mitnehmen kann.

_Jean_ (hat einen Hut genommen). Was haben Sie denn da? Was ist das?

_Julie._ Das ist nur mein kleiner Zeisig! Den will ich nicht
zurücklassen!

_Jean._ Nanu? Sollen wir nun auch noch das Vogelbauer mitnehmen! Sie
sind rein verrückt! Lassen Sie den Vogel da!

_Julie._ Das Einzige, was ich von Hause mitnehme; das einzige lebende
Wesen, das mich gern hat, seitdem mir Diana untreu geworden ist! Sei
nicht grausam! Laß mich ihn mitnehmen!

_Jean._ Lassen Sie ihn da, sage ich -- und reden Sie nicht so laut.
Christine kann uns hören!

_Julie._ Nein, ich lasse ihn nicht in fremden Händen zurück! Töte ihn
dann lieber!

_Jean._ So geben Sie das kleine Ding denn her, ich werde ihm den Hals
umdrehen!

_Julie._ Ja, aber ihm nicht wehe thun! Nicht -- nein, ich kann es nicht!

_Jean._ Her damit, ich kann's!

_Julie_ (nimmt den Vogel aus dem Bauer und küßt ihn). O mein Sennchen,
sollst du durch deine eigne Herrin sterben?

_Jean._ Seien Sie so gut und machen Sie jetzt keine Scenen; es gilt ja
Ihr Leben, Ihre Wohlfahrt! So, schnell!

  (Er reißt ihr den Vogel aus der Hand, trägt ihn zum Hackblock und
  nimmt das Küchenmesser.)

_Julie_ (wendet sich ab).

_Jean._ Sie hätten Hühnchen schlachten lernen sollen, statt mit dem
Revolver zu schießen, (haut zu) dann würden Sie nicht vor einem
Blutstropfen ohnmächtig werden.

_Julie_ (schreit). Töte auch mich! Töte mich! Wenn du ein unschuldiges
Tier schlachten kannst, ohne daß dir die Hand bebt! O ich hasse und
verabscheue dich. Zwischen uns steht Blut. Ich fluche der Stunde, da ich
dich sah, ich fluche der Stunde, da ich geboren wurde!

_Jean._ Ja, was hilft es, daß Sie fluchen! Gehen wir!

_Julie_ (nähert sich dem Hackblock, gleichsam gegen ihren Willen
hingezogen). Nein, ich will noch nicht gehen; ich kann nicht -- ich muß
sehen -- still! draußen fährt ein Wagen. (Sie lauscht, während sie die
Augen starr auf den Hackblock und das Messer geheftet hält.) Glaubst du,
ich kann kein Blut sehen? Glaubst du, ich bin so schwach -- o -- ich
möchte dein Blut sehen und dein Hirn auf dem Holzblock. Ich möchte dein
ganzes Geschlecht in einem See, wie der da, schwimmen sehen. Ich glaube,
ich könnte aus deiner Hirnschale trinken, ich könnte meine Füße in
deinem Brustkorb baden und dein Herz gebraten essen! Du glaubst, ich bin
schwach; du glaubst, ich liebe dich; du glaubst, ich will deine Brut
unter meinem Herzen tragen und mit meinem Blute nähren -- dein Kind
gebären und deinen Namen annehmen! Höre du, wie heißest du? Ich habe
niemals deinen Zunamen gehört -- du hast wohl gar keinen, glaube ich.
Ich wollte Frau »Hofwächter«, oder »Madame Kehrichtfeger« werden -- du
Hund, der mein Halsband, du Knecht, der mein Wappen auf den Knöpfen
trägt -- ich sollte mit meiner Köchin teilen, mit meiner Dienstmagd
rivalisieren. O! o! o! Du glaubst, ich sei feig und wollte flüchten!
Nein, nun bleibe ich -- und dann möge das Unwetter heraufziehen! Mein
Vater kommt heim -- er findet seinen Sekretär erbrochen, sein Geld
gestohlen! Dann klingelt er -- mit der Glocke -- zweimal nach dem
Bedienten -- und dann schickt er nach dem Schulzen -- und dann werde ich
alles erzählen. Alles! O es ist schön, ein Ende damit zu machen -- wenn
es nur ein Ende nehmen wollte! -- Und dann bekommt er den Schlagfluß und
stirbt. -- -- Und dann hat die ganze Geschichte ein Ende -- und es tritt
Frieden und Ruhe ein! -- Ewige Ruhe! -- -- Und dann wird das Wappen über
dem Sarge zerbrochen -- das Grafengeschlecht ist ausgestorben -- und der
Dienersprößling wächst in einem Waisenhaus heran -- gewinnt seine
Lorbeeren im Rinnstein und endet in einem Gefängnis!

_Christine_ (zum Kirchgang gekleidet, das Gesangbuch in der Hand, kommt
von rechts).

_Julie_ (eilt auf sie zu und fällt ihr in die Arme, als wollte sie
Schutz bei ihr suchen). Hilf mir Christine! Hilf mir gegen diesen Mann!

_Christine_ (unbeweglich und kalt). Was ist denn das nun für Spektakel
am Feiertagsmorgen. (Sie sieht nach dem Hackblock.) Und was für
Schmutzerei Sie hier gemacht haben! -- Was soll das alles bedeuten? Und
wie Sie schreien und skandalieren!

_Julie._ Christine! Du bist ein Weib und meine Freundin! Hüte dich vor
diesem Schuft!

_Jean_ (ein wenig scheu und verlegen). Wenn die Damen räsonnieren, gehe
ich hinaus und rasiere mich. (Er schleicht sich nach rechts hinweg.)

_Julie._ Du wirst mich verstehen; und du sollst mich anhören!

_Christine._ Nein, ich verstehe mich wirklich nicht auf solche Wippchen!
Wo wollen Sie denn in Ihrem Reiseanzug hin? -- Und er hat auch den Hut
auf? -- Was? Was?

_Julie._ Höre mich an, Christine; höre mich an, dann werde ich dir alles
erzählen.

_Christine._ Ich will nichts wissen!

_Julie._ Du mußt mich hören!

_Christine._ Was denn? Von den Dummheiten mit Jean! Ja, sehen Sie, darum
kümmere ich mich absolut nicht, denn da mische ich mich nicht hinein.
Aber denken Sie ihn zum Durchbrennen zu verlocken, dann werden wir Ihnen
schon den Weg versperren!

_Julie_ (äußerst erregt). Versuche ruhig zu sein, Christine! und höre
mich an! Ich kann nicht hier bleiben, und Jean kann nicht hier bleiben
-- wir müssen also reisen!

_Christine._ Hm, hm! --

_Julie_ (mit plötzlichem Einfall). Aber siehst du, nun bekomme ich eine
Idee -- wenn wir alle drei reisten -- ins Ausland -- nach der Schweiz
und zusammen ein Hotel errichteten. Ich habe Geld, (sie zeigt es) siehst
du -- und Jean und ich werden dem Ganzen vorstehen -- und du, hatte ich
mir gedacht, übernimmst die Küche. Ist das nicht nett! Sage nun ja und
komm mit uns, dann ist alles arrangiert. Sage doch ja! (Sie umarmt
Christine und klopft sie zärtlich.)

_Christine_ (kalt und nachdenklich). Hm! Hm!

_Julie_ (schneller). Du bist niemals draußen gewesen und gereist,
Christine -- du sollst hinaus und dich in der Welt umsehen. Du kannst
gar nicht glauben, wie unterhaltend es ist, auf der Eisenbahn zu fahren
-- unaufhörlich neue Menschen -- neue Länder -- und dann kommen wir nach
Hamburg und besehen uns auf der Durchfahrt den zoologischen Garten --
was hältst du davon? Und dann gehen wir ins Theater und hören die Oper
-- und wenn wir nach München kommen, da haben wir die Museen, und da
sind Rubens und Raphaels -- Bilder von den beiden großen Malern,
weißt du. Du hast ja von München, wo der König Ludwig wohnte, reden
gehört -- der König, weißt du, welcher wahnsinnig wurde -- und dann
werden wir seine Schlösser besehen -- er hat Schlösser, die ganz wie in
den Märchen eingerichtet sind -- und von da ist es nicht mehr weit bis
zur Schweiz -- mit den Alpen, du -- denke die Alpen mit Schnee darauf
mitten im Sommer -- und dort wachsen Apfelsinen und Lorbeerbäume, die
das ganze Jahr grün sind --

_Jean_ (erscheint von rechts, sein Rasiermesser auf einem Riemen
streichend, den er mit den Zähnen und der linken Hand festhält; er
lauscht vergnügt dem Gespräch und nickt hie und da Beifall).

_Julie_ (äußerst schnell). Und dann übernehmen wir ein Hotel -- und ich
sitze an der Kasse, während Jean steht und die Gäste empfängt -- ausgeht
und handelt -- Briefe schreibt -- Das wird ein Leben, kannst du mir
glauben -- dann pfeift der Zug, dann kommt der Omnibus, dann klingelt es
im Hause, dann klingelt es in der Restauration -- und dann schreibe ich
die Rechnungen aus -- und ich werde sie pfeffern. -- Du kannst dir gar
nicht denken, wie schüchtern die Reisenden sind, wenn sie ihre Rechnung
bezahlen sollen! Und du -- du sitzest als Herrin in der Küche. Du sollst
natürlich nicht selbst am Herd stehen -- und du darfst fein und hübsch
gekleidet gehen, wenn du dich vor Leuten zeigen sollst -- und du mit
deinem Aussehen -- ja, ich schmeichle dir nicht -- du kannst dir schon
eines schönen Tags einen Mann ergattern! einen reichen Engländer, siehst
du -- die Leute sind so leicht (sie fängt an langsamer zu sprechen) zu
fangen -- -- und dann werden wir reich -- und bauen uns eine Villa am
Comersee -- freilich regnet es dort bisweilen -- aber (mit immer
schlafferem Ton) die Sonne wird wohl auch manchmal scheinen -- wenn es
auch trüb aussieht -- und -- dann -- dann können wir ja auch wieder
heimreisen -- und zurückkommen (Pause) -- hierher -- oder irgendwo
anders hin -- --

_Christine._ Hören Sie, Fräulein! Glauben Sie selbst daran?

_Julie_ (vernichtet). Ob ich selbst daran glaube?

_Christine._ Ja!

_Julie_ (müde). Ich weiß nicht; ich glaube überhaupt an nichts mehr.
(Sie sinkt auf die Bank nieder und legt den Kopf zwischen die Arme auf
den Tisch.) An nichts! An gar nichts!

_Christine_ (wendet sich nach links, wo Jean steht). So, du dachtest
also daran, durchzubrennen!

_Jean_ (beschämt, legt das Rasiermesser auf den Tisch). Durchbrennen?
Das ist nun zu viel gesagt! Du hörtest ja das Projekt des Fräuleins, und
obgleich sie nun nach der durchwachten Nacht müde ist, kann das Projekt
wohl ausgeführt werden!

_Christine._ Hör' 'n mal! War es deine Meinung, daß ich bei der da
Köchin werden sollte --

_Jean_ (scharf). Sei so gut und bediene dich einer feineren
Ausdrucksweise, wenn du von deiner Herrin sprichst! Verstehst du!

_Christine._ Herrin?

_Jean._ Ja!

_Christine._ Nein, hört doch! hört doch einmal den!

_Jean._ Ja, hör' du! das kann dir sehr dienlich sein, und schwatze etwas
weniger! Fräulein Julie ist deine Herrin und wegen derselben Sache,
deretwegen du sie jetzt verachtest, dürftest du dich selbst verachten.

_Christine._ Ich habe immer so viel Achtung für mich selbst gehabt --

_Jean._ Daß du andere verachten kannst?

_Christine._ Daß ich mich niemals unter meinem Stand fortgeworfen habe.
Komm doch und sage, die gräfliche Köchin habe etwas mit dem Viehknecht,
oder dem Schweinehirten zu thun gehabt! Komm und sage das!

_Jean._ Ja, du hast mit einem feinen Kerl zu thun gehabt, das ist ein
Glück für dich!

_Christine._ Ja, ein feiner Kerl, der dem Grafen den Hafer aus dem Stall
verkauft --

_Jean._ Davon willst du reden, die Prozente beim Gewürzkrämer bekommt
und sich vom Schlächter bestechen läßt!

_Christine._ Wie?

_Jean._ Und du kannst nicht mehr Respekt vor deiner Herrschaft haben!
Du, du, du!

_Christine._ Komm jetzt mit zur Kirche! Nach deinen Thaten kann dir eine
gute Predigt sehr dienlich sein!

_Jean._ Nein, ich gehe heute nicht in die Kirche; du kannst allein gehen
und deine Sünden beichten.

_Christine._ Ja, das werde ich auch, und ich werde mit Vergebung
heimkehren, auch gleich noch für dich! Der Erlöser hat gelitten und ist
am Kreuz gestorben für alle unsere Sünden, und wenn wir ihm mit Glauben
und bußfertigem Sinn entgegentreten, dann nimmt er all' unsere Schuld
auf sich.

_Julie._ Glaubst du das, Christine?

_Christine._ Das ist mein lebendiger Glaube, so wahr ich hier stehe, und
das ist mein Kinderglaube, den ich mir von Jugend auf bewahrt habe,
Fräulein Julie. Und wo die Sünde überfließt, fließt auch die Gnade über!

_Julie._ Ach, wenn ich deinen Glauben hätte! Ach wenn --

_Christine._ Ja, sehen Sie, den kann man nicht bekommen --

_Julie._ Wer bekommt ihn denn?

_Christine._ Das ist das große Geheimnis der Gnadenthat, sehen Sie,
Fräulein, und Gott hat kein Ansehen der Person, sondern die Ersten
sollen die Letzten sein.

_Julie._ Ja, dann hat er ja ein Ansehen der Person bei den Letzten --

_Christine_ (fährt fort). Und es ist leichter, daß ein Kameel durch ein
Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Himmelreich komme! Sehen Sie,
so ist es, Fräulein Julie! Nun gehe ich indessen -- allein, und im
Vorbeigehen werde ich dem Stallknecht sagen, daß er keine Pferde
herausgiebt, im Falle jemand reisen wollte, bevor der Graf nach Hause
kommt! Adieu! (Ab durch die Glasthür.)

_Jean._ So ein Teufel! Und all' das um eines Zeisigs willen!

_Julie_ (schlaff). Lassen Sie den Zeisig beiseite! Sehen Sie einen
Ausweg hieraus, ein Ende für dieses?

_Jean_ (grübelt). Nein!

_Julie._ Was würden Sie an meiner Stelle thun?

_Jean._ An Ihrer? Warten Sie ein wenig? Als hochgeboren, als Weib -- als
Gefallene? -- Ich weiß nicht-- ja! nun weiß ich!

_Julie_ (nimmt das Rasiermesser und macht eine Bewegung). So?

_Jean._ Ja! Aber ich würde es nicht thun -- beachten Sie das wohl! denn
das ist der Unterschied zwischen uns.

_Julie._ Weil Sie ein Mann sind und ich ein Weib? Was ist dabei für ein
Unterschied?

_Jean._ Derselbe Unterschied -- wie -- zwischen Mann und Weib!

_Julie_ (mit dem Messer in der Hand). Ich will es, aber ich kann es
nicht! Mein Vater konnte es auch nicht, damals, als er es hätte thun
sollen.

_Jean._ Nein, er hätte es nicht thun sollen! Er mußte sich erst rächen!

_Julie._ Und nun rächt sich meine Mutter wieder durch mich!

_Jean._ Haben Sie Ihren Vater nicht geliebt, Fräulein Julie?

_Julie._ Ja, grenzenlos, aber ich habe ihn sicher auch gehaßt! Ich muß
es gethan haben, ohne es selbst zu bemerken. Aber er hat mich selbst zur
Verachtung meines eigenen Geschlechtes herangezogen, zum Halbweib und
Halbmann. Wer hat die Schuld an dem, was geschehen ist? Mein Vater,
meine Mutter, ich selbst! Ich selbst? Ich habe ja kein Selbst! Ich habe
nicht einen Gedanken, den ich nicht von meinem Vater, nicht eine
Leidenschaft, die ich nicht von meiner Mutter bekommen hätte, und das
Letzte -- daß alle Menschen gleich seien -- bekam ich von meinem
Verlobten, den ich darum einen Schuft nenne! Wie kann es aber mein
eignes Vergehen sein? Die Schuld auf Jesus schieben, wie es Christine
macht -- nein, dazu bin ich zu stolz und zu klug -- dank den Lehren
meines Vaters. Und daß ein Reicher nicht ins Himmelreich kommen könne,
das ist Lüge, und Christine, die Geld auf der Sparkasse hat, kommt zum
Mindesten nicht hinein! Wer hat die Schuld an dem Vergehen? Was geht es
uns an, wer sie hat! Bin ich es doch, der die Schuld und die Folgen
tragen muß.

_Jean._ Ja aber --

  (Es klingelt laut zweimal hintereinander.)

_Julie_ (fährt auf).

_Jean_ (wechselt rasch links den Rock). Der Graf ist zu Hause! Denken
Sie, wenn Christine -- (Er geht nach hinten ans Sprachrohr, klopft an
und lauscht.)

_Julie._ Nun ist er schon am Sekretär gewesen?

_Jean._ Es ist Jean, Herr Graf! (Er lauscht; man hört nicht, was der
Graf spricht.) Ja, Herr Graf. (Er lauscht.) Ja, Herr Graf! Sogleich. (Er
lauscht.) Sehr wohl, Herr Graf! (Er lauscht.) Ja! In einer halben
Stunde.

_Julie_ (äußerst ängstlich). Was sagte er? Herr Jesus, was sagte er?

_Jean._ Er verlangte seine Stiefel und seinen Kaffee in einer halben
Stunde.

_Julie._ Also in einer halben Stunde! O ich bin so müde; ich vermag
nichts, ich vermag nicht zu bereuen, nicht zu fliehen, nicht zu bleiben,
nicht zu leben, nicht zu sterben! Helfen Sie mir nun! Befehlen Sie mir,
und ich werde gehorchen, wie ein Hund! Leisten Sie mir den letzten
Dienst, retten Sie meine Ehre, retten Sie meinen Namen! Sie wissen, was
ich wollen _sollte_, aber nicht will. Wollen Sie es und befehlen Sie
mir, es zu vollbringen!

_Jean._ Ich weiß nicht -- aber nun kann ich auch nicht -- ich begreife
es selbst nicht. Es ist gerade, als wenn der Rock hier bewirkte, daß ich
Ihnen nichts befehlen kann -- und nun, seitdem der Graf zu mir
gesprochen hat -- ich kann es nicht recht erklären -- aber -- ah, es ist
der Lakai, der mir im Rücken sitzt! Ich glaube, wenn der Graf jetzt käme
und mir befehlen würde, ich sollte mir den Hals abschneiden, so würde
ich es auf der Stelle thun.

_Julie._ Thun Sie also, als wären Sie er, und ich Sie! Sie konnten sich
ja vor kurzem so gut verstellen, als Sie vor mir auf den Knieen lagen --
da waren Sie ein Ritter -- oder sind Sie niemals im Theater gewesen und
haben den Magnetiseur gesehn?

_Jean_ (macht eine bejahende Gebärde).

_Julie._ Er sagt zu dem Medium: nimm den Besen; es nimmt ihn; er sagt:
fege; und es fegt --

_Jean._ Dann müßte der andere ja schlafen.

_Julie_ (exaltiert). Ich schlafe bereits -- der ganze Raum steht mir wie
voller Rauch vor Augen -- und Sie sehen wie ein eiserner Ofen aus -- der
einem schwarzgekleideten Mann mit Cylinder gleicht -- und Ihre Augen
leuchten wie Kohlen, wenn das Feuer ausgeht -- und Ihr Gesicht ist ein
weißer Fleck wie Flugasche.

  Das Sonnenlicht hat nun den Boden erreicht und strömt über Jean hin.

_Julie._ Es ist so warm und schön -- (sie reibt sich die Hände, als wenn
sie sie an einem Feuer wärmte) und dann so hell -- und so still!

_Jean_ (nimmt das Rasiermesser und giebt es ihr in die Hand). Da ist der
Besen! Geh nun, da es hell ist, hinaus in die Scheune -- und -- (er
flüstert ihr etwas ins Ohr).

_Julie_ (wach). Danke! Nun gehe ich zur Ruhe! Aber sagen Sie mir jetzt
noch, daß auch die Ersten der Gnade teilhaftig werden können. Sagen Sie
es, wenn Sie es auch nicht glauben.

_Jean._ Die Ersten? Nein, das kann ich nicht! Aber warten Sie, Fräulein
Julie -- nun weiß ich! Sie gehören ja nicht mehr zu den Ersten -- denn
Sie sind unter den Letzten!

_Julie._ Das ist wahr! -- Ich bin unter den Allerletzten; ich bin die
Letzte! O -- Aber nun kann ich nicht gehen -- Sagen Sie noch einmal, daß
ich gehen soll!

_Jean._ Nein, jetzt kann ich es auch nicht mehr! Ich kann nicht!

_Julie._ Und die Ersten sollen die Letzten sein!

_Jean._ Denken Sie nicht! Denken Sie nicht! Sie rauben auch mir alle
Kraft, sodaß ich feig werde! Was! Ich glaube, die Glocke bewegte sich!
Nein! -- Sollen wir Papier hineinstecken! -- So bang vor dem Ton einer
Glocke zu sein! -- Ja, aber das ist nicht nur eine Glocke -- es sitzt
jemand dahinter -- eine Hand setzt sie in Bewegung -- und etwas anderes
setzt die Hand in Bewegung -- aber halten Sie sich nur die Ohren zu! Ja,
dann klingelt es noch schlimmer! klingelt, bis man Antwort giebt -- und
dann ist es zu spät! und dann kommt der Schulze -- und dann --

  (Es wird zweimal stark geläutet.)

_Jean_ (fährt zusammen; dann richtet er sich auf). Es ist entsetzlich!
Aber es giebt keinen andern Ausweg! -- -- -- Gehen Sie! --

_Julie_ (geht festen Schrittes zur Thüre hinaus).


  _Ende._


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Druckfehler und Unegelmässigkeiten

abstrakt, das heißt unselbständig sind
  _Originaltext hat »unselbst-/ständig« am Linienende_
Et vouz voulez parlez français!
  _Text (Antiqua) ungeändert_
Ja, ja, bei einem Einzelne
  _Originaltext hat »einen«_





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both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
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effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
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collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
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promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
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that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org.  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     gbnewby@pglaf.org


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     http://www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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